Bayern hat gewählt. Seit Februar sind die neuen Pfarrgemeinderäte im Amt, die allermeisten von ihnen haben sich inzwischen vollständig konstituiert und sind bereit, mit ihrer Arbeit loszulegen. Bayernweit ist die Resonanz unterschiedlich ausgefallen. Gemeinde creativ fasst für Sie zusammen.
Bei den Pfarrgemeinderatswahlen im Februar haben in den sieben bayerischen (Erz-)Diözesen etwa 930.000 Gläubige von 5,2 Millionen Wahlberechtigen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Die Wahlbeteiligung liegt bayernweit damit bei 17,53 Prozent. Diese Zahlen aus Bayern lassen auch die bundesdeutsche katholische Welt aufhorchen, denn längst sind die Zeiten nicht vorbei in denen Bistümer in Ost- oder Norddeutschland mit ihren Wahlbeteiligungen klar im einstelligen Bereich bleiben. Bayern, also einmal mehr die Insel der Glückseeligen? Das Bundesland, in dem die heile, katholische Welt noch funktioniert?
Ja und Nein, muss die Antwort darauf lauten. Schaut man in die Erzdiözese München und Freising, so nimmt man dort Zufriedenheit wahr. Dort konnte die Wahlbeteiligung um mehr als vier Prozentpunkte auf mehr als 20 Prozent gesteigert werden, weit mehr als 40.000 Gläubige mehr als noch bei den Wahlen 2014 haben hier ihren Stimmzettel abgegeben. Zurückzuführen sei dies vor allem auf die Tatsache, dass hier erstmals die Allgemeine Briefwahl der Regelfall war. Wollte eine Pfarrei nicht in Form der Allgemeinen Briefwahl wählen, musste sie eine Ausnahme beantragen und dies gut begründen – etwa 80 Prozent der Pfarreien haben sich auf die Briefwahl eingelassen. Die höchste Wahlbeteiligung konnte die Pfarrei Eschlbach aus dem Dekanat Erding für sich verbuchen, mit 75,6 Prozent. Aber auch in der Erzdiözese München und Freising bleiben weiße Flecken, vor allem im Stadtbereich München. Hier sind viele Pfarreien nicht über einstellige Wahlbeteiligungen hinausgekommen. Die Tendenz eines Stadt-Land-Gefälles, die sich hier andeutet, kann durchaus als symptomatisch für ganz Bayern gewertet werden: In ländlichen Regionen haben sich die Menschen größtenteils besser und stärker motivieren lassen, an der Wahl teilzunehmen. Das lasse sich nicht zuletzt auf die intensive Verbindung der Gläubigen untereinander sowie auch unter den Haupt- und Ehrenamtlichen in den kleineren, ländlichen Gemeinden zurückführen.
Die Erzdiözese München und Freising belegt damit einmal mehr die Richtigkeit und den Erfolg der Allgemeinen Briefwahl. Das wird auch durch die Ergebnisse der übrigen Diözesen gestützt. Dieses System wird in der Diözese Würzburg bereits seit mehreren Wahlperioden durchgeführt, in Eichstätt hat man es zum zweiten Mal angewandt. Eichstätt ist mit 28,89 Prozent knapp vor Würzburg mit 28,80 Prozent Spitzenreiter, was die Wahlbeteiligung betrifft. Auch im Bistum Augsburg, wo dieses Mal 80 Pfarreien den Briefwahlmodus gewählt haben, ist die Wahlbeteiligung in 15 davon merklich gestiegen. Diese positiven Entwicklungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass bis auf das Erzbistum München und Freising, die Wahlbeteiligung in allen anderen sechs bayerischen Diözesen gesunken ist. Das gute Ergebnis aus München kann die Verluste in Summe nicht auffangen, weswegen die Wahlbeteiligung insgesamt gesehen etwa einen Prozentpunkt unter der von 2014 liegt.
Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Pastorale Umstrukturierungsprozesse gibt es derzeit in einigen bayerischen Diözesen. Die einen sind mitten drin, bei den anderen stehen die Neuordnungen sozusagen vor der Tür. So sehr sich die Bistumsleitungen und Diözesanräte hier auch um Vermittlung, Transparenz und Partizipation bemühen, so entsteht im Einzelfall doch immer wieder Unzufriedenheit und das Gefühl, benachteiligt zu werden. Diese Brüche haben sich mancherorts bereits bei der Kandidatensuche gezeigt, und haben sich dann bei der Bereitschaft zur Stimmabgabe fortgesetzt. Auch der Finanzskandal im Bistum Eichstätt wenige Wochen vor der Wahl, kam wahltechnisch gesehen zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt.
Eine positive Überzeugungskraft, mit der ehren- und hauptamtlich Engagierte auf die Gläubigen zugehen können, speist sich sowohl aus der eigenen, persönlichen Glaubensüberzeugung als auch aus der gegenseitigen Stärkung aller, die in der Kirche Verantwortung tragen. Die Wahl macht erneut deutlich: Es sind über die registrierten Gottesdiensteilnehmer hinaus noch mehr Gläubige bereit, sich von der Kirche ansprechen zu lassen und für sie aktiv zu werden. Mit der Briefwahl können sogar fast doppelt so viele Gläubige erreicht werden als durch den sonntäglichen Gottesdienst. Vielleicht liegt hier noch ein Potential, das sich auch zwischen den Pfarrgemeinderatswahlen noch besser nutzen lässt.
Vielfalt der Ideen und Talente
Aktuell wurden mit mehr als 28.000 Gläubigen etwa 10 Prozent weniger Mitglieder in die Pfarrgemeinderäte in Bayern gewählt als vor vier Jahren. Dies hängt mit einer Verkleinerung der Gremien zusammen. Schon beim Blick in die bisherigen Gremien mag eine weitere Zahl nicht überraschen: Das Ehrenamt in der Kirche ist getragen von Frauen. Der Frauenanteil in den bayerischen Pfarrgemeinderäten hat sich nochmals leicht erhöht, von 62 auf 63 Prozent. In den neuen Pfarrgemeinderäten sind wieder alle Generationen vertreten. Das garantiere Abwechslung im Themenspektrum und stelle sicher, dass keine Gruppe in der Pfarrei übersehen wird. Die Ehrenamtlichen zeigten „das enorme Potential, das in unseren Gemeinden steckt, die Vielfalt der Ideen und Talente. Ich freue mich sehr, wenn Menschen ihre Fähigkeiten für ihre Pfarrei einbringen. Eine lebendige Pfarrei schafft Beziehungen und macht Orte oder Stadtviertel menschenfreundlich und lebenswert“, sagt beispielsweise der Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken der Erzdiözese München und Freising, Hans Tremmel.
Sind die Hinzuwahlen abgeschlossen, werden bayernweit etwa 50.000 Männer und Frauen in Pfarrgemeinderäten aktiv sein. Wichtig wird sein, dass die Gewählten und Hinzugewählten mit den Hauptamtlichen in der Seelsorge zwar unterschiedliche Aufgaben im Blick haben, aber gemeinsam an einem Strang ziehen. Alle Mitglieder werden in den kommenden vier Jahren das kirchliche Leben in den Pfarrgemeinden und Dekanaten mit Ideen und Initiativen gestalten. Sie können dabei sowohl den gesellschaftspolitischen als auch innerkirchlichen Fragestellungen nachgehen, also den Welt- und Heilsdienst in der katholischen Kirche ausüben. Dazu werden zahlreiche Arbeitsgruppen, Sachausschüsse oder Arbeitsgemeinschaften eingerichtet, um diese Anliegen aufzugreifen und umzusetzen.