Nach der Pfarrgemeinderatswahl besteht die Chance, dass die Ehrenamtsförderung Priorität erhält, zielorientiert und planvoll angegangen wird. Denn Ehrenamtsmanagement ist eine effektive Form der Kirchenentwicklung und steht vor großen Herausforderungen.
Dass freiwilliges Engagement in der Kirche stattfindet, wird zwar als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, doch die gewohnte Gewinnung von Freiwilligen funktioniert nicht mehr automatisch. Selten gehen Menschen noch den steilen und langen Weg vom einfachen Mitglied bis hin zum hochengagierten Leitungsverantwortlichen. Das Nutzungsmuster von Kirche hat sich grundlegend gewandelt und sie konkurriert mit anderen Organisationen um die Zeit und Kompetenz der Menschen; sie hat sich einzureihen in den „Kampf um die Freiwilligen“ und muss dabei nach der Logik dieses Marktes vorgehen. Sie hat die Chance es dabei gut, sogar besser zu machen!
Grundlage ist eine engagementfreundliche Kultur, die bei den Verantwortlichen der Pfarrei beginnt. Solange die Leitung die Bedeutung und Notwendigkeit für eine gezielte Engagementförderung nicht erkannt hat oder sie für überflüssig hält, ist es schwierig die notwendigen Schritte erfolgreich zu gehen.
Theologie des Ehrenamts
„Ich bin eine Mission“ – schreibt Papst Franziskus in seinem zurecht als Programmschrift seines Pontifikats bezeichneten Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium: „Ich bin eine Mission auf dieser Erde, und ihretwegen bin ich auf dieser Welt. Man muss erkennen, dass man selber ‚gebrandmarkt‘ ist für diese Mission, Licht zu bringen, zu segnen, zu beleben, aufzurichten, zu heilen, zu befreien.“ (EG 273)
Das muss man wirken lassen. Ich bin eine Mission. Das kann, darf und soll jeder Christ von sich sagen und aus dieser Haltung Ehrenamt gestalten. Mit den Verben des letzten Satzes bringt Franziskus die Aufgaben aller Christen auf den Punkt: Licht bringen, segnen, beleben, aufrichten, heilen und befreien. Wenn Franziskus ‚gebrandmarkt‘ schreibt, dann meint er das Zeichen der Zugehörigkeit zu Jesus als dem Christus. Wer getauft ist, ist Christ und Missionar. Dieses unlösbare, lebenslange Merkmal wird mit Taufe, Eucharistie und Firmung verliehen. Das ist das grundliegende Amt des Christen und dann kommen noch andere Ämter dazu. Denn alle sind gerufen und gesendet, aber nicht alle auf die gleiche Weise oder zur selben Aufgabe. Es gilt: „Das ganze Volk verkündet das Evangelium.“ (EG 111)
Ich bin eine Mission! Wo mache ich mit Jesus gemeinsame Sache? Sind Ehrenamtliche Mitarbeiter des Pfarrers oder Mitarbeiter Christi? Das letzte Konzil sagt: „Der Herr selbst lädt alle Laien (…) ein, sich von Tag zu Tag inniger mit ihm zu verbinden, damit sie sich (…) als seine Mitarbeiter erweisen“ (AA 33) Und: „Die Laien sind schlicht die riesige Mehrheit des Gottesvolkes. In ihrem Dienst steht eine Minderheit: die geweihten Amtsträger“ (EG 102)
Ehrenamtsförderung braucht ein „Türschild“, eine verlässliche Ansprechperson in der Pfarrei oder im Pfarrverband. Sie braucht Einsatz, Arbeitszeit und Organisation sowie vielfältige Kommunikationsformate, die auf die Möglichkeiten des Engagements hinweisen und Vorbehalte ausräumen. Kurz: Ehrenamtsförderung braucht System!
1. Balance schaffen
Ehrenamt braucht einen Plan und ein Konzept. Zu Beginn einer Wahlperiode oder eines Projektes macht es Sinn, mit Listen der Aufgaben für Ehrenamtliche einen Überblick über den Bestand und den Bedarf zu gewinnen. Wo sind wir gut aufgestellt, wo sind Lücken, in welchem Bereich sehen wir Zukunft und wen wollen wir dafür gewinnen? Dazu muss klar sein, wieviel an eigenen Ideen gewünscht ist und welche Ressourcen (Räume, Finanzen, Unterstützungszeit) für die Umsetzung neuer Initiativen da sind. Attraktiv sein bedeutet hier: Bieten Sie flexible Engagementmöglichkeiten mit unterschiedlicher zeitlicher Beanspruchung. Nur so können Freiwillige gewonnen werden, die sich (noch) nicht langfristig binden wollen.
2. Freiwillige gewinnen
Noch recht ungenutzt im kirchlichen Kontext ist die Arbeit mit Aufgabenprofilen. Je klarer aber die Tätigkeit formuliert ist, desto gezielter kann jemand gefunden werden. Ein Aufgabenprofil beschreibt die genaue Tätigkeit, erläutert den Zeitaufwand, die erwarteten Kompetenzen, die damit verbundenen Verantwortlichkeiten sowie die angebotene Unterstützung. Mit Aufgabenbeschreibungen präsentiert sich eine Pfarrei modernitätsbewusst und transparent, weil sie eben nicht die „Katze im Sack“ verkauft und mit dem Vorurteil aufräumt, „mit dem kleinen Finger immer den ganzen Arm“ zu wollen.
Örtliche Freiwilligenagenturen und Online-Plattformen sind neben den bekannten pfarreieigenen Werbeträgern sinnvolle, meist kostenfreie Möglichkeiten, Engagementangebote breiter bekannt zu machen und die Chancen auf neue Mitmachende zu erhöhen.
3. Anerkennungskultur leben
Ein Gespräch zum Kennenlernen ist bei bestimmten Aufgaben notwendig. Bei gewissen Tätigkeiten genügt sicherlich ein informeller Rahmen. Interessierte sollten alle ihre Fragen stellen können und gewisse Grunddaten sollten gleich erfasst werden. Ein Flyer mit wichtigen Informationen ist hilfreich: Gibt es eine Auslagenerstattung und wie funktioniert die Abrechnung? Wie sieht der Versicherungsschutz aus? Wie wird jemand unterstützt, weiter qualifiziert und (geistlich) begleitet? Braucht es für die Tätigkeit ein polizeiliches Führungszeugnis und eine Selbstverpflichtungserklärung, weil es eine Aufgabe mit Kindern und Jugendlichen ist? Wie sieht die Dankeskultur in unserer Pfarrei aus? Welche Nachweise für das Engagement werden ausgestellt, von wem?
Grundsätzlich sollen Freiwillige immer eine Ansprechperson kennen, an die sie sich in fachlichen oder persönlichen Fragen wenden können. Zu einer aktiven Freiwilligenkultur zählt genauso die umgekehrte Richtung: Es muss gefragt werden, ob die Engagierten zufrieden sind, wo sie Korrekturbedarf sehen oder vielleicht sogar die Tätigkeit wechseln wollen. Eine gelungene Anerkennungskultur beschäftigt sich jedoch nicht nur mit Konflikten, sondern hat ebenso das gelungene Engagement im Blick und nimmt es nicht als selbstverständlich hin.
4. Aufhören ermöglichen
Manche engagieren sich ihr halbes Leben, andere nur kurze Zeit. Freiwillige sind, wie der Name sagt, frei in ihrer Entscheidung und sollten auf keinen Fall mit einem schlechten Gewissen verabschiedet werden. Dass sich gerade in der Kirche niemand von der „Wiege bis zur Bahre“ einbringen muss, könnte eine wichtige Kulturveränderung sein. Da gilt es zu lernen, dass Christsein nur bedingt etwas mit Aktivsein in der Gemeinde zu tun hat. Über die Gründe der Beendigung eines Engagements Bescheid zu wissen, gibt die Möglichkeit, etwas zu verbessen. Das Angebot sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu engagieren, wenn beispielsweise die Lebensumstände es besser zulassen, darf nicht unterbleiben.
In Ausnahmefällen kann sich eine Pfarrei auch von Freiwilligen trennen, die nicht (mehr) zu ihr passen. Mit Respekt vorgetragene Gründe können helfen das Ende der Zusammenarbeit zu akzeptieren. Gerade in Fällen von schädlichem oder gar rechtswidrigem Verhalten soll die Trennung bewusst und zeitnah geschehen.
Welche Verabschiedungsrituale angemessen sind, hat viele Einflussfaktoren. Sie sollen gut überlegt und klar vereinbart sein. Ebenso ist es ratsam zu klären, welche Form die richtige ist, um in Kontakt zu bleiben.
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