Religiöse Bildung schlägt in den Pfarrgemeinden die Brücke zwischen Glaube und Gesellschaft
Wie das religiöse Bildungsangebot in unseren Pfarrgemeinden aussieht, lässt sich nicht pauschalisieren, denn es ist vor allem eines: bunt. Und genau deswegen ein adäquates Mittel, um das Thema Glaube in den Pfarrgemeinden auch abseits des Gottesdienstes präsent zu machen, findet Claudia Pfrang, Leiterin der Stiftung Bildungszentrum Kardinal-Döpfner-Haus in Freising. Die langjährige Geschäftsführerin des Katholischen Kreisbildungswerks Ebersberg versteht religiöse Bildungsarbeit als Forum für kritische Themen und vor allem als Brücke zwischen Kirche und Gesellschaft. „Unser Angebot dient der religiösen Vertiefung. Es geht darum, auch außerhalb der Kerngemeinde deutlich zu machen, welchen Schatz die Kirche bereithält.“ Das könne in ganz unterschiedlichen Kontexten geschehen, denn auch Themen wie Klimaerwärmung oder soziale Gerechtigkeit gehören für Pfrang zu den Themen religiöser Bildung: „Kirchliche Bildungsarbeit umfasst den ganzen Menschen und damit alle gesellschaftlichen Herausforderungen. Kirche muss sich einmischen.“ Das funktioniert am besten direkt vor Ort, in der Lebenswirklichkeit der Menschen in den einzelnen Pfarrgemeinden.
„Kirchliche Bildungsarbeit umfasst den ganzen Menschen und damit alle gesellschaftlichen Herausforderungen. Kirche muss sich einmischen.“
Das Münchner Bildungswerk ist die deutschlandweit größte Einrichtung für katholische Erwachsenenbildung. Mit 5.000 Veranstaltungen jährlich reicht das Angebot von Fortbildungen zur Flüchtlingsarbeit bis hin zu Webinaren über Demut oder Barmherzigkeit. Um dieses vielfältige Programm zu ermöglichen, unterstützen die hauptamtlichen Mitarbeiter des Bildungswerks etwa 160 ehrenamtliche Bildungsbeauftrage in den einzelnen Pfarrgemeinden. Die Sozialpädagogin Katharina Galler ist vor allem für das ehrenamtliche Engagement im Bereich Senioren zuständig. Sie ist davon überzeugt, dass man für relevante Themen nur seine Fühler ausstrecken muss: „Wenn ich zum Beispiel auf der Freiwilligen-Messe immer wieder gefragt werde, ob wir Fortbildungen zum Thema Interkulturelles anbieten und wir haben keine im Programm, dann versuche ich, das zu ändern.“
Inspirationen liefern,
Unterstützung anbieten
Das funktioniert natürlich nur in Kooperation mit den Pfarrgemeinden und dafür sei manchmal auch Überzeugungsarbeit notwendig, findet Monika Kramer, die beim Münchner Bildungswerk Ansprechpartnerin für Kunst und Kultur ist. „Gemeinden bieten gerne Führungen durch Barrockkirchen an, weil die auf den ersten Blick einen bequemeren Zugang zu Glaubensfragen bieten. Dabei ist die Angst vor moderneren Bauten unberechtigt. Die haben viele Anknüpfungspunkte für einen Austausch.“ Daher versuche sie im persönlichen Gespräch oder auf Konferenzen den Bildungsbeauftragten Mut zuzusprechen, ihr Programm zu aktualisieren und bietet ihnen Unterstützung, zum Beispiel bei der Suche nach passenden Referenten, an. Auch über den Newsletter lassen sich Impulse für das Programm an die Pfarrgemeinden weiterleiten. „Das klappt häufig, aber nicht immer. Manche Kirchen habe ich bis heute noch nicht an den Mann gebracht. Aber wenn sich Gemeinden der Herausforderung stellen, ist die Rückmeldung durchweg positiv.“
Eine solche Einflussnahme ist im Bereich von Katharina Galler eher selten der Fall, denn 90 Prozent der Ideen und Angebote entstehen in den Pfarrgemeinden selbst. Das können Stadtteilspaziergänge mit bestimmten Themenschwerpunkten sein, aber auch Angebote mit zeitlichem Bezug, wie zum Beispiel zum 500. Jahrestag der Reformation. Doch auch sie hat schon Konzepte entwickelt, die erst etwas Anlaufzeit gebraucht haben: „Ich wollte ein Mentorenprogramm für Schüler auf die Beine stellen, das ich dann absagen musste.“ Die Resonanz sei einfach zu gering gewesen. Aber die Idee brauchte wohl nur etwas Reifezeit: Als sie es im Jahr darauf nochmal versuchte, hatte Galler zwei ausgebuchte Veranstaltungen. Man dürfe sich nicht gleich entmutigen lassen, findet sie. Die Einführung eines neuen Konzeptes sei eben ein Prozess.
Für jeden das passende Angebot
In einem Findungsprozess befindet sich auch das Programm im Kardinal-Döpfner-Haus. „Themen am Puls der Zeit gehen immer gut“, sagt Claudia Pfrang. „Aber es ist sehr schwierig, passgenaue Angebote für die unterschiedlichen Zielgruppen zu entwickeln.“ Pfrang sieht in ihrem Programm einen erhöhten Bedarf an Veranstaltungen im Bereich der politischen Bildung. Mit den bereits angebotenen Expertendiskussionen würde im Moment nur ein kleiner Teil der Bevölkerung erreicht. Ihr Ziel sei es, vom Flüchtling bis zum Akademiker alle einzubinden. Die größte Schwierigkeit sei es dabei, adäquate Dozenten zu finden, die sich sowohl mit dem Thema auskennen, als auch die entsprechenden sozialen Kompetenzen für die jeweilige Zielgruppe mitbringen – wie weit entfernt von religiöser Bildung die Menschen auch sein mögen. „Ich möchte auch die Abgehängten einbinden“, ist Pfrangs Anspruch.
Den religiösen Aspekt sieht auch Monika Kramer vielfach als Schwierigkeit. Veranstaltungen, die Kunst und Religion kombinieren, seien weniger gefragt, als zum Beispiel reine Stadtführungen. Das ist für Kramer aber kein Argument, solche Angebote sein zu lassen. In ihrem Selbstverständnis ist genau das die Aufgabe einer kirchlichen Bildungseinrichtung. Ganz bewusst möchte sie den Fokus immer wieder auf Religiosität lenken. Zur Etablierung eigneten sich vor allem niederschwellige Angebote, wie zum Beispiel ein Blick hinter die Kulissen eines Klosters. Ohne Vorkenntnisse können die Besucher so Menschen treffen, die sie anders nicht kennen gelernt hätten. Oder aber das Format Geistliches Lied, bei dem einmal im Monat ein Kirchenlied gesungen und gedeutet wird. Interessierte können ohne Anmeldung einfach kommen und mittlerweile habe sich eine treue Besuchergruppe etabliert. Das Angebot auf Stadtebene wurde von einigen Pfarrgemeinden übernommen.
Claudia Pfrang empfindet zu frühe Anmeldefristen als Problem. Menschen im Arbeitsleben haben wenig Zeit und so sei es nicht verwunderlich, wenn der durchschnittliche Besucher einer Veranstaltung 50+ sei. Allerdings sieht sie die Herausforderung auch auf sprachlicher Ebene: Mit welchen Formulierungen bewerbe ich mein Angebot? Wie erreiche ich auch junge Zielgruppen? Hier spielen vor allem soziale Medien eine große Rolle. Und der letzte Prüfstein bei der Programmgestaltung sei immer sie selbst: „Ich frage mich jedes Mal: Würde ich die Veranstaltung, die ich plane, auch selbst besuchen?“
Diese Frage erübrigt sich bei Veranstaltungen, die aus Bedarf wachsen, wie zum Beispiel den Stadtführungen in leichter Sprache, die das Münchner Bildungswerk auf Wunsch von Ehrenamtlichen anbietet. Diese Führungen sollen Flüchtlingen helfen, einen ersten Zugang zu München als kulturellem Raum zu finden. Sie werden sehr gut angenommen, vielleicht auch weil sie kostenlos sind, mutmaßt Monika Kramer. Sie bedauert, dass bei vielen Besuchern offenbar der finanzielle Aspekt eine große Rolle spielt. „Einige sind wohl der Meinung, dass die Kirche überhaupt nichts für Veranstaltungen verlangen darf, weil sie in ihren Augen mit der Kirchensteuer schon genug bezahlen.“ Das sei in der Praxis unmöglich umzusetzen und Kramer findet die Preise fair: „Von einer Kirchenführung für sechs Euro werden wir wirklich nicht reich.“
Fotos: Kardinal-Döpfner-Haus