Religiöse Bildung bei Jugendlichen findet auch im Alltag statt
„Glaubensbildung bei Jugendlichen wird heute von kirchlichen Institutionen so gut wie nicht mehr geleistet – und auch kaum mehr versucht.“ Diese niederschmetternde Bilanz eines Religionspädagogen will ich hier nicht ganz teilen, aber ihr auch eine Spur von Realität zubilligen. Zweifelsohne ist das Thema Religion bei den meisten Jugendlichen „eher out als in“, und die religionspädagogische Arbeit mit ihnen ein durchaus schwieriges Unterfangen.
Wer sich heute in einer „postsäkularen Gesellschaft“ (vgl. Jürgen Habermas) dennoch auf eine allgemeine religiöse (Grund-)Bildung oder auf eine spezielle christliche Glaubensbildung mit Jugendlichen einlässt, der sollte drei wesentliche Aspekte bedenken. Ein erster Aspekt besteht im induktiven Ansatz. Pädagogisch gewendet bedeutet das: Beginnen, wo der Jugendliche mit seinem Glauben steht. Wenn nämlich die Religiosität Jugendlicher weiter reicht, als ihre Kirchlichkeit, so liegt nach Friedrich Schweitzer die erste religionspädagogische Aufgabe darin, diese Religiosität „in ihren individuellen Gestalten überhaupt erst wahrzunehmen“, sie „anzuerkennen“, in ihrer „biographischen Sinnhaftigkeit zu verstehen und zu würdigen“. Wenn man also beim subjektiven Existenzglauben Jugendlicher ansetzt, dann kann es auch möglich werden, die Religiosität Jugendlicher mit dem kirchlichen Glauben „herauszufordern und in ihrer weiteren Entwicklung zu begleiten.“
Der zweite Aspekt einer Religionspädagogik des Jugendalters betrifft das sogenannte „Personale Angebot“. Hier geht es um die Qualität der Beziehung religionspädagogischer Akteure zu Jugendlichen sowie um die Qualität der Beziehungen unter Jugendlichen selbst. Diesen nämlich gelten „Ideen und Programme in der Regel so viel, wie die Personen, die diese verkörpern“ (vgl. Würzburger Synodenbeschluss „Jugendarbeit“). Alles kommt also darauf an, erfahrungsreiche Begegnungssituationen und gemeinschaftliche Beziehungen zu schaffen, in denen junge Menschen sich angenommen, anerkannt und wertgeschätzt fühlen.
Ein dritter Aspekt betrifft die Orte einer religiösen Bildung. Es ist zu realisieren, dass diese an sehr unterschiedlichen Orten und in sehr verschiedenen Formen stattfinden kann, die einander ergänzen und die daher auch miteinander zu vernetzen sind. Das sind zunächst formelle Orte wie die Schule (Religionsunterricht) oder die Gemeinde (Jugend- und Firmkatechese), sodann nicht-formelle Bildungsorte wie die Jugendarbeit, die Jugendbildungsstätten oder geistliche Zentren und Gemeinschaften. Nicht zuletzt findet religiöse Bildung auch ganz informell im Alltag statt – etwa bei familiären oder öffentlichen Anlässen, bei Events, im Theater und Kino, in Museen, in Konzertsälen und in der jugendlichen Popkultur. Unsere Alltagskultur ist voller religiöser Spuren!
An allen Orten religiöser Bildung kommt es für die Bildungsakteure darauf an, jungen Menschen Gelegenheiten zur Entdeckung der Welt der Religionen und des christlichen Glaubens zu geben, sie zur Aneignung religiöser Kenntnisse, religiöser Werte, religiöser Rituale und religionsgemeinschaftlicher Vollzüge anzuregen und nicht zuletzt sich selbst in die Auseinandersetzung über Religion einzubringen.
Bild: Im Alltag von Jugendlichen spielt Glaube keine Rolle, oder doch? Genau hinschauen lohnt sich. Denn religiöse und spirituelle Fragen treiben junge Menschen sehr wohl um. JACKF / Adobe Stock