Niederalteicher Impulse sollen die EU-Agrarpolitik reformieren
In den vergangenen Jahrzehnten war in Europa ein ausgeprägter Strukturwandel in der Landwirtschaft zu beobachten, so auch in Bayern. In der Praxis bedeutet dieser auf den ersten Blick doch recht harmlose Ausdruck nichts anderes als „Höfesterben“.
Die in der Katholischen Landvolkshochschule Niederalteich angesiedelte Denkwerkstatt „Ökosoziales Forum Niederalteich“ (ÖSFN) hat nach intensiven Diskussionen das Impulspapier „Das Europäische Modell mit Leben erfüllen“ zur zukunftsgerechten Landwirtschaft in Europa erarbeitet. Die Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gehen nach dem Dreischritt „Sehen – Urteilen – Handeln“ vor und kommen dabei in einer schonungslosen Bestandsaufnahme zu dem Schluss, dass wesentliche Ziele bisheriger agrarpolitischer Maßnahmen nicht erreicht wurden. Vor allem was den Boden-, Trinkwasser- und Tierschutz sowie die Artenvielfalt von freilebenden Tieren und wildwachsenden Pflanzen anbelangt. Lediglich die Menge der erzeugten Nahrungsmittel hat sich erhöht; oft einhergehend mit existenzgefährdendem Preisdruck, vor allem für Milch- und Fleischprodukte.
Das ÖSFN erinnert an das Leitbild, das der Rat der EU-Landwirtschaftsminister bereits vor 20 Jahren beschlossen hat: „Die Landwirtschaft muss in der Lage sein, die Landschaft zu pflegen, die Naturräume zu erhalten, einen wesentlichen Beitrag zur Vitalität des ländlichen Raumes zu leisten und den Anliegen und Anforderungen der Verbraucher in Bezug auf die Qualität und die Sicherheit der Lebensmittel, dem Umweltschutz und dem Tierschutz gerecht zu werden“.
Aufgrund der Schieflage zwischen Zielsetzung und Wirklichkeit werden in dem Papier konkrete Ziele für eine neue Agrarpolitik benannt: Ernährungssicherheit und Lebensmittelqualität, Boden-, Trinkwasser- und Tierschutz sowie Artenvielfalt. Diese sind Grundlage für ein intaktes Ökosystem und somit für attraktive ländliche Räume. Besonderes Augenmerk gilt den Entwicklungen, die die Bauernfamilien hierzulande betreffen, aber auch externen ökologischen, kulturellen, ökonomischen und sozialen Wirkungen in anderen Ländern und Kontinenten. Das ÖSFN stellt elf Eckpunkte für die erforderliche Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 vor. Das Papier schlägt zielgerechte Maßnahmen im Bereich Ordnungsrecht, Gebühren und Abgaben vor, sowie eine finanzielle Förderung statt des oberflächlichen Gießkannenprinzips.
So sollten die staatlichen Zuschüsse gezielt auf ökologische Leistungen – überschaubare Schlaggrößen, bodenschonende Bewirtschaftung, artgerechte Tierhaltung und Ökolandbau – ausgerichtet werden. Achslastbegrenzung zum Schutz des Bodens, Förderung des einheimischen Eiweißpflanzenanbaus, Abgaben auf Stickstoffdünger und Pestizide sind weitere Vorschläge. Interessant ist auch die Forderung, auf Investitionszuschüsse für Stallungen und Maschinen weitgehend zu verzichten, da sie in der Praxis stets zu Produktionsausweitung und damit zu verschärftem Strukturwandel geführt haben. Wichtig ist auch die Aus- und Fortbildung sowie Beratung der bäuerlichen Familien. Statt „wachsen oder weichen“ sollte das Fortschrittsziel lauten: Leben und leben lassen. Der gesunde Stolz der Bauern sowie das Gemeinwohl sollen im Vordergrund stehen.
Mehr zum Thema und das Impulspapier finden Sie bei uns im Internet.
Foto: Traumbild / Adobe Stock