An der Basis mischen sich Hoffnungen und Skepsis in Bezug auf den Synodalen Weg.
Dass die Kirche im 21. Jahrhundert Frauen noch immer benachteiligt, ist für Friedbert Rüb unfassbar. „Wir leben in einer Zeit, in der Gleichberechtigung postuliert wird, und dieser Entwicklung kann sich auch die Kirche nicht verschließen“, meint der 64-Jährige aus Karlstadt im Landkreis Main-Spessart. Dass die Kirche Frauen endlich gleichberechtigt, ist einer von Rübs größten Wünschen für den Synodalen Weg.

Friedbert Rüb, der im Landkreis Main-Spessart unter anderem als ehrenamtlicher Altenheimseelsorger engagiert ist, wünscht sich vom Synodalen Weg mehr Gleichberechtigung für Frauen.
Die Kirche könnte sich viel Unmut sparen, indem sie Frauen gleichberechtigt in die Arbeit einbindet, meint der Lektor, Kommunionhelfer und Gottesdienstbeauftragte. Schon jetzt seien es Frauen, die in der Kirche entscheidende Dienste leisten: „Sie sind in kirchlichen Kindergärten tätig, geben Religionsunterricht und bereiten Kinder auf die Erstkommunion und die Firmung vor.“ Frauen seien es auch jahrhundertelang in erster Linie gewesen, die den Glauben an ihre Kinder weitergegeben haben. Friedbert Rüb hat das in seiner eigenen Familie so erlebt. Die Kirche, sagt er, benötigt Frauen dringend, um ihre vielfältigen Aufgaben bewältigen zu können.
Frauen müssen Rüb zufolge über kurz oder lang zu Weiheämtern zugelassen werden. „Für mich ist das nicht nur eine Frage der Gleichberechtigung, sondern auch der Wertschätzung“, betont der ehrenamtliche Altenheimseelsorger. Nur mit Frauen könne Kirche „nahe beim Menschen“ sein.
Was Rüb außerdem mitunter über die Hutschnur geht, ist die Hybris einiger Kleriker. Auch hier wünscht er sich dringend Veränderungen durch den Synodalen Weg. „Amtsträger und Laien müssen sich viel mehr auf Augenhöhe begegnen“, meint er. Denn nicht das Amt oder die Weihe schafft nach seiner Ansicht die Kompetenz, sondern der einzelne Mensch mit seinen Fähigkeiten, Werten und seinem Knowhow. Jesus, erinnert Rüb, orientierte sich grundsätzlich am Nächsten. Er sah nicht von oben auf die Menschen herab. Christlich handeln heißt für ihn deshalb, sich selbst hinten anzustellen.
„Es passt nicht zusammen“
Friedbert Rüb versteht, dass einem manchmal die Lust vergehen kann, in der Kirche mitzuwirken. Denn Reden und Handeln passe oft nicht zusammen. Hier bietet der Synodale Weg für ihn eine Chance: „Die Kirche muss sich ehrlich ihren Verfehlungen stellen und Missstände aufarbeiten.“ Das, was sie verkündigt, müsse im Alltag spürbar werden. Hoffnung macht dem gläubigen Christen, dass dies auch Kardinal Reinhard Marx so sieht. Ende Mai äußerte der Kardinal: „Bei mir hält die Erschütterung darüber an, dass Schein und Sein in der Kirche so eklatant auseinanderfallen konnten.“
Kirchenvertreter müssten sich intensiv Gedanken machen über Wege zum Hierarchieabbau, fordert Rüb: „Denn es sind die Hierarchien, die zum Teil verheerende Auswirkungen hatten.“ Statt Verbote wünscht sich Rüb von einer durch den Synodalen Weg reformierten Kirche „Lebenshilfen“. Insgesamt sei mehr Demut erforderlich. Die wichtigste Frage müsse stets lauten: „Wie hätte Jesus gehandelt?“
Dass das Interesse an der Kirche merkbar nachgelassen hat, belegen nackte Zahlen: jedes Jahr treten deutschlandweit tausende Menschen aus – 2019 so viele wie nie zuvor. In vielen Fällen geschieht das, obwohl die Austretenden gläubig sind. „Sie wollen aber mit der Institution Kirche nichts mehr zu tun haben, das habe ich selbst erlebt“, sagt Markus Bayer, Pfarrgemeinderat von St. Stefan in der oberbayerischen Gemeinde Gräfelfing. Er erwarte, so Bayer mit Blick auf die Missbrauchsskandale, dass die katholische Kirche in Deutschland durch den Synodalen Weg wieder glaubwürdig wird.
Jetzt erst recht!
Markus Bayer hielt all die Jahre treu an der Kirche fest, weil er kirchlich sozialisiert ist und sich der familiären Tradition verpflichtet fühlt. Der Missbrauchsskandal hatte jedoch auch ihn erschüttert. Als Konsequenz wandte er sich allerdings nicht von der Kirche ab. Im Gegenteil: „Nachdem ich zu jener Zeit nicht mehr so stark beruflich eingespannt war, beschloss ich, mich aktiv einzubringen, denn ich wollte die Kirche nicht jenen Leuten überlassen, die sie kaputtmachen.“ Bayer ließ sich für den Pfarrgemeinderat aufstellen und wurde gewählt. Heute ist er im Pfarrverband, auf Dekanatsebene sowie im Diözesanrat des Erzbistums München und Freising engagiert.
Was Bayer in seiner eigenen Pfarrei erlebt, ist nicht unbedingt der Normalfall: „Bei uns begegnen sich Geweihte und Laien auf Augenhöhe, wir Laien sind in unserer Arbeit in keiner Weise eingeschränkt.“ Durch sein Engagement in der Diözese erfährt der einstige Ministrant, dass dies nicht überall selbstverständlich ist: „Andere dürfen in ihrer Pfarrei gewisse Dinge nicht machen.“ Vom Synodalen Weg wünscht sich Bayer, dass Laien künftig stärker eingebunden werden: „Gerade dort, wo es zu wenige Geweihte gibt, sollten sie Kinder taufen und Ehen schließen dürfen.“
Die jüngst vorgebrachten Argumente für ein Frauenpriestertum leuchten Bayer ein, dennoch warnt er davor, diesem Thema während des Synodalen Wegs ein zu starkes Gewicht beizumessen: „Dagegen gibt es einfach zu viele Vorbehalte.“ Er persönlich könne sich vorstellen, den Gottesdienst einer Priesterin zu besuchen: „Doch einem Ostkirchlicher wird man das niemals plausibel machen können.“ Zwar sei der Synodale Weg nicht global angelegt. Letztlich könne die deutsche Kirche aber auch nicht aus der Weltkirche ausscheren.
Wieder mal ein Weg…
In Würzburg gehört Simone Eckenroth zu jenen Menschen, die viel Freizeit opfern, um die eigene Pfarrei voranzubringen. Seit kurzem gehört sie dem Vorstand ihrer Gemeinde St. Adalbero an. Zum Synodalen Weg, gibt die aktive Christin zu, habe sie sich bisher wenig Gedanken gemacht. Und zwar deshalb, weil sie kaum Hoffnung hegt, dass nun „etwas Revolutionäres passiert“. „Für mich persönlich ist das ‚mal wieder ein Weg‘, um ins Gespräch zu kommen“, sagt sie und denkt an das „Unternehmen Reißverschluss“ Anfang der 1990er Jahre und den wenige Jahre später initiierten Pastoralen Dialog unter dem Leitgedanken „Wir sind Kirche – Wege suchen im Gespräch“.
Dagegen, dass Männer die kirchliche Szene dominieren, wendet sich Simone Eckenroth schon seit Jahren. Zum Beispiel als Mitglied der „Aktion Lila Stola“. Die Forderung, Ämter für Laien und „sogar“ für Frauen zu öffnen, sei nicht neu, erklärt sie: „Ebenso wenig wie die kritische Betrachtung des Zölibats.“ Alles sei schon mal dagewesen: „Und ist wieder versandet.“
Nach wie vor kann nur ein Mann katholischer Pfarrer werden. Nach wie vor dürfen Priester nicht heiraten. Vor allem jüngere Christen stört das zunehmend. Von daher plant Simone Eckenroth, die Themen des Synodalen Wegs in ihrem Pfarrgemeinderat zu diskutieren. Der sei ausgesprochen jung, sagt sie. Und sie sei sehr neugierig, was denn die Jungen zu dem Projekt meinen. Und welche Hoffnungen sie haben. Auch wenn sie selbst in den letzten Jahren reichlich desillusioniert wurde, könnte sie sich vorstellen, so Eckenroth, sich in der Diskussion mit jungen, engagierten Christen noch mal mitreißen zu lassen
Titelbild: Viele Laien erhoffen sich vom Synodalen Weg eine herrschaftsfreiere Kirche.
Fotos: Pat Christ