In den vergangenen Wochen der Corona-Krise ist ein Thema erneut intensiv diskutiert worden: braucht es ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürgerinnen und Bürger?
Die Veränderungen der demographischen Entwicklung, zunehmende Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft, die größer werdende soziale Spaltung , Klimawandel und nunmehr auch die Folgen der Corona-Pandemie lassen die Stimmen des Zweifels immer lauter werden, ob unsere gegenwärtigen und in der Aufbauphase nach dem zweiten Weltkrieg entstandenen Wirtschafts- und Sozialstrukturen in der Lage sind, die vorhandenen und bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen.
Manche führenden Manager, Wissenschaftler, auch katholische Verbände wie die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) in unterschiedlichen Regionen und politische Gruppierungen verschiedener Ausrichtung sprechen sich dafür aus. Es ist deshalb richtig, sich auch auf der Grundlage der Katholischen Soziallehre mit dem Thema zu befassen.
Was ist das Bedingungslose Grundeinkommen?
Die weitreichendste Konzeption sieht vor, dass jede Bürgerin und jeder Bürger monatlich unabhängig von Arbeit, Vermögen und Status einen festen Geldbetrag (beispielsweise Höhe des heutigen Arbeitslosengeldes II) erhält. Es bleibt unbenommen, noch einen Verdienst dazu zu erwerben.
Dieses Modell wird in einigen Bundesländern und international in verschiedenen Staaten konkret diskutiert. Bisher gibt es jedoch erhebliche Zweifel an der großen Unterstützung in der Bevölkerung, bei Wirtschaft und Gewerkschaften, auch wenn dazu Bürgerentscheide vorbereitet werden.
In Finnland ist dieser Weg ebenso gescheitert, wie auch in der Schweiz, wo sich lediglich 23,1 Prozent dafür ausgesprochen haben.
Ich habe mich in den vergangenen Jahren wiederholt mit der Forderung auseinandergesetzt und vor allen Dingen Zustimmung zu folgenden Argumenten erhalten:
- Arbeit ist unabhängig von ökonomischen Faktoren von sinnstiftender Bedeutung und gehört zur menschlichen Grundkonstitution.
- Unser Gemeinwesen ist als Erfolgsmodell von Solidarität und Leistungsgerechtigkeit geprägt. Das Grundeinkommen würde dem zuwiderlaufen.
- Das Bedingungslose Grundeinkommen in dieser Form wäre nur bei völliger Abschaffung des Sozialstaats finanzierbar.
- Übergangsregelungen bei Einführung würden sozialversicherungsrechtlich (insbesondere im Rentenrecht) nicht akzeptiert werden.
- Bewährte solidarische Sicherungssysteme (insbesondere für Menschen mit Behinderung, Pflegedürftige, Kinder und Jugendliche) wären nicht mehr möglich, obwohl sie auch nach einem Systemwechsel dringend benötigt werden.
- Ein solcher Weg würde auch eine starke Individualisierung in der Gesellschaft zur Folge haben.
Doch es lohnt sich gerade jetzt gründlich zu diskutieren. Ein Grundeinkommen in allen Regionen, wie es Papst Franziskus vorschwebt, ist eine Frage für die globale Gesellschaft: eine armutsfeste, zukunftsorientierte und generationengerechte Alterssicherung muss in diesem Prozess erreicht werden, sowie ein Konzept, das der bewährten sozialen Marktwirtschaft entspricht, das Ganze mit klimagerechten Rahmenbedingungen.
Das Landeskomitee hat sich kürzlich mit dem ehemaligen Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Georg Cremer, zu diesem Thema ausgetauscht. Die Ergebnisse dieser Runde lesen Sie dann in einer der nächsten Ausgaben.
Titelbild: Der Griff in den leeren Geldbeutel – kann ein Bedingungsloses Grundeinkommen die Lösung sein?
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