Seit 45 Jahren wird im Würzburger Stadtteil Lengfeld intensiv Ökumene gelebt
Sie hat durch das „ÖZ“ ihren Horizont erweitert. Hat vielfältige Inspirationen erhalten. „Vor allem habe ich begonnen, mich intensiver mit meinem eigenen Glauben auseinanderzusetzen“, erzählt Barbara Hornung. Das „ÖZ“, von dem die Katholikin gerade so schwärmt, ist das „Ökumenische Zentrum“ im Würzburger Stadtteil Lengfeld. Im Dezember 1975 wurde es als Pioniereinrichtung in der Region Würzburg eingeweiht. Barbara Hornung war von Anfang mit dabei.
Die ÖZ-Geschichte begann nicht damit, dass gute Gründe dargelegt wurden, warum Ökumene wichtig ist. Und weshalb es ein Zentrum als Ausdruck eines lebendigen Miteinanders braucht. Alles fing wesentlich profaner an. Hornung erinnert sich: „Sowohl die evangelische als auch die katholische Gemeinde hatten Ende der 1960er Jahre einen räumlichen Engpass.“ Und zwar einen gewaltigen. Der rührte daher, dass das einstige Bauerndorf, in dem 200 Seelen lebten, durch die Eingemeindung immens gewachsen war. Heute ist Lengfeld ein Würzburger Stadtteil mit 11.000 Einwohnern. Gut die Hälfte sind Katholiken.
Nach fruchtbaren Gesprächen zwischen Verantwortlichen auf der katholischen und der evangelischen Seite tauchte die Idee auf, ein gemeinsames Zentrum statt zweier neuer Kirchen zu bauen. Doch würden die Lengfelder das wollen? „Um das herauszufinden, wurde 1970 eine Umfrage gestartet“, berichtet Hornung. Der Rücklauf war enorm, ergänzt Christoph Lezuo, heute evangelischer Pfarrer im ÖZ: „Mehr als 80 Prozent antworteten.“ Noch enormer war die Zustimmungsquote zum Zentrum: Nämlich mehr als 90 Prozent. „Es war die Zeit des Aufbruchs, Würzburger Synode und Zweites Vatikanum waren spürbar“, bemerkt Theo Kellerhaus, Vorsitzender des „Freundkreises des Ökumenischen Zentrums“.

Alle sind eingeladen, an seinem Gottesdienst teilzunehmen, so Pfarrer Harald Fritsch.
Was charakteristisch für die jeweilige Konfession ist, sollte beibehalten werden. Gleichzeitig wollte man durch das Zentrum ein Höchstmaß an Gemeinschaft ermöglichen. Unter Widerständen wurde diese Idee durchgesetzt. „Die Kirchenleitungen hatten große Vorbehalte“, sagt Lezuo. Nur dadurch, dass angesehene Theologen das Anliegen unterstützten, gelang es schließlich, die „Basisinitiative ÖZ“ auf den Weg zu bringen. Dabei waren nicht geringe juristische Probleme zu bewältigen, erinnert sich Barbara Hornung: „Die Grundstücke und Finanzströme der beiden Kirchenstiftungen mussten sauber voneinander getrennt werden.“
Studentische Euphorie
Damals hatte man noch geglaubt, dass sich die Kirchen um hundertachtzig Grad drehen würden, erinnert sich Christoph Lezuo, der zu jener Zeit in Erlangen Evangelische Theologie studiert und sich ökumenisch in der Erlanger Hochschulgemeinde engagierte. Die Vision, wieder eine Kirche zu sein, erschien den jungen Leuten zum Greifen nahe. Die Ernüchterung kam, als Karl Rahner die Studierenden besuchte. „Wir hatten erwartet, dass er sagen würde, das gemeinsame Abendmahl wäre möglich“, so Lezuo. Doch Rahner legte vielmehr dar, warum dies offiziell nicht ging: „Wir waren total enttäuscht.“ Mit diesem offiziellen „Nein!“ müssen auch die ÖZ-Mitglieder bis heute leben.
Was „die da oben“ für Probleme haben, da kann man bloß staunen – so, sagt Lezuo, denken die „ganz normalen“ Leute. Doch was die ganz normalen Menschen denken, wollen und brauchen, scheint für „die da oben“ nicht vordringlich zu sein. Diese Tatsache treibt den evangelischen Pfarrer um. Sein Freund, Mitstreiter und Amtskollege Harald Fritsch sieht dies ähnlich. Nichts würde er sich mehr wünschen, als dass Lezuos „Schäfchen“, kommen sie zu ihm in den

Machen sich für Ökumene in Lengfeld stark (von links): Pfarrer Harald Fritsch, sein evangelischer Amtskollege Pfarrer Christoph Lezuo sowie Barbara Hornung und Theo Kellerhaus vom „Freundkreises des Ökumenischen Zentrums“.
Gottesdienst, an der Eucharistie teilnehmen könnten. Und umgekehrt. Derzeit handhabt dies jeder Christ im ÖZ seinem Gewissen gemäß. Wobei sich die Hauptamtlichen an das offizielle Verbot halten.
Sukzessive wird im ÖZ versucht, Hindernisse auf dem Weg zum Wir zu überwinden. Heuer zum Beispiel gibt es zum allerersten Mal eine ökumenische Osternacht im katholischen Kirchenraum. Auf die Eucharistie wird verzichtet, wobei es um diesen speziellen Gottesdienst herum in Lengfeld mehrfach Gelegenheit geben wird, an einer Messe mit Eucharistie teilzunehmen, so Fritsch: „Zum Beispiel am Ostersonntag um 6 Uhr.“ Die gemeinsame Osternacht setzt die seit längerem bestehende Ostertradition im ÖZ fort: Jedes Jahr tauschen die Gemeinden Osterkerzen. Die katholische Osterkerze wird stets von den evangelischen Christen gestaltet und umgekehrt.
Ein Verein verbindet
Heute sind Lengfelds Christen froh, dass Platzprobleme den Anstoß gaben, vor 45 Jahren ein gemeinsames Zentrum zu gründen. „Nach wie vor ist das, was hier entstanden ist, ein Leuchtturmprojekt“, sagt Lezuo. Dass das ÖZ wurde, was es heute ist, ist sehr vielen Engagierten zu verdanken. Undenkbar wäre die positive Entwicklung ohne den „Freundeskreis des Ökumenischen Zentrums“, dem 170 Gläubige angehören. Der 1977 gegründete Verein bildet – bei aller vorgeschriebenen juristischen Trennung – die gemeinsame Struktur, die beide Gemeinden eint und trägt.

Lektorin Barbara Hornung setzt sich seit den Gründungstagen für das Ökumenische Zentrum ein.
Für Harald Fritsch ist das Lengfelder ÖZ der Inbegriff der Versöhnung beider Konfessionen, die sich einst so blutig bekämpft hatten. Sich zusammenzutun, das wird für den Theologen, der über die Eschatologie Karl Rahners promovierte, wichtiger denn je in einer immer säkulareren Welt. „Wir müssen die Frage nach Gott wachhalten“, mahnt der Pfarrer der ÖZ-Pfarrei St. Laurentius und der Lengfelder Pfarrei St. Lioba. Der Mensch, so Fritschs Überzeugung, ist im Tiefsten auf Gott angelegt. Die Gemeindemitglieder hierauf anzusprechen, wird in seinen Augen immer dringlicher.
Die Menschen hingegen wenden sich zunehmend von kirchlichen Zeremonien ab. Auch im ÖZ sind die Kirchenbänke längst nicht mehr voll. „Wir müssen wieder eine Sprache finden, die von den Menschen verstanden wird“, appelliert Lezuo. Eine einfache, lebensnahe Sprache, die trifft.
Beitragsbild: Harald Fritsch und Christoph Lezuo mit der beide Gemeinden verbindenden Osterkerze.
Fotos: Pat Christ