Brexit, erstarkende Nationalismen in mehreren europäischen Ländern, Haushaltsschwierigkeiten in Italien, die Migrationsfrage – die Europawahlen im Mai werden wegweisend sein für die Zukunft der Europäischen Gemeinschaft. Grund genug für das Landeskomitee der Katholiken in Bayern, sich intensiv mit dem Thema zu befassen. Der Studienteil der Herbsttagung 2018 stand unter dem Titel „Die Spannung steigt: Europa wächst zusammen“.
Gerade die katholische Kirche als „global player“ sei in der Lage, wertvolle Unterstützung anzubieten, um – mit den Worten des früheren Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Delors, „Europa eine Seele zu geben“, heißt es in einer Stellungnahme, die die katholischen Laien in Regensburg verabschiedet haben. Darin wirbt das Landeskomitee auch für „eine Ideenwerkstaat, die den Einigungsprozess in Europa so voranbringt, dass Nationalismen, Ängste und reale Benachteiligungen bald der Vergangenheit angehören“.
Beim Studienteil ihrer Vollversammlung diskutierten die Mitglieder über den europäischen Einigungsprozess mit Katrin Boeckh, Historikerin am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung der Universität Regensburg, Erzbischof Jean-Claude Hollerich, dem Präsidenten der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union, dem Direktor der Caritas im Erzbistum Alba Iulia in Rumänien, András Márton, und der SPD-Europaabgeordneten Maria Noichl.

Ein spezieller Fokus lag auf Themen rund um Osteuropa. Auf dem Podium diskutierten dazu: András Martón, Barbara Brustlein (Moderation), Erzbischof Jean-Claude Hollerich, Katrin Boeckh und Maria Noichl (von links).
Authentisch schilderte András Márton die Situation in seinem Heimatland: die Unzufriedenheit in der Bevölkerung sei groß, trotz Mitgliedschaft in der EU, von der man sich in Rumänien mehr erhofft habe. Das Armutsrisiko liege bei mehr als 40 Prozent, alleine 56.000 Menschen seien im vergangenen Jahr ausgewandert, darunter vor allem junge Leute – die eigentlich die Zukunft Rumäniens sein sollten. Wenn Europa seine Vorbildrolle in der Welt behalten wolle, dann müsse sich auch der Umgang mit den Ländern des globalen Südens drastisch ändern, sagte Maria Noichl.
Erzbischof Hollerich rief in Erinnerung, dass Europa vor allem auch eines ist: ein Modell für den Frieden und das Gemeinwohl. Er sehe aktuelle Entwicklungen mit Sorge und mahnte an, den Umgang mit Geflüchteten zu überdenken. Man könne nicht die Grenzen für jede Migration aus Afrika schließen, sagte er. Was es brauche, sei eine kohärente Politik, die Fluchtursachen bekämpfe und Perspektiven vor Ort schaffe: „Es ist keine christliche Politik, Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen.“
Stärkere Einbindung der Laien gefordert

Für den Vorsitzenden des Landeskomitees, Joachim Unterländer, verlangen die aktuellen Herausforderungen in der Kirche ein „starkes und aktives Laienapostolat und vor allen Dingen ein Zusammenwirken auf allen Ebenen, von Priestern und Laien“. Foto: alx
Der Vorsitzende des Landeskomitees, Joachim Unterländer, verwies in seinem Bericht auf das jüngste Gespräch des Präsidiums mit der Freisinger Bischofskonferenz, bei dem es vor allem um Fragen der Finanztransparenz und um Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal gegangen sei. Neben den Transparenzoffensiven in den jeweiligen Bistümern erinnerte Unterländer an die Forderung des Landeskomitees „nach einer stärkeren Kooperation von Pfarrgemeinderäten und Kirchenverwaltungen, der generellen Einführung einer echten HGB-konformen Bilanzierung und Bewertung kirchlichen Vermögens, um so die Transparenz zu stärken, und einer Einbindung der katholischen Laien auf Landesebene hinsichtlich der Mittelverwendung aus dem Überdiözesanen Fonds“. Im Rahmen der Missbrauchsdebatte erneuerte er den Ruf nach einer von der katholischen Kirche finanzierten, aber weisungsunabhängigen Anlaufstelle auf bayerischer Ebene für alle Opfer von seelischer oder körperlicher Gewaltanwendung im kirchlichen Raum. Auch wenn in der Aufarbeitung schon viel im kirchlichen Bereich unternommen worden sei, gelte es weiterhin auf einer „vollständigen Zuwendung zu den Betroffenen und einer vollständigen Aufklärung“ zu beharren. Einstimmig beschlossen die Delegierten außerdem den Beitritt in das Bündnis „Bildungszeit für Beschäftigte in Bayern“.
Die nächste Ausgabe von Gemeinde creativ wird sich ausführlich mit dem Thema „Europa“ beschäftigen.

ie Vollversammlung bot auch die Möglichkeit zum Austausch mit Bischof Rudolf Voderholzer, hier mit dem Präsidium des Landeskomitees und Erzbischof Jean-Claude Hollerich (Mitte). Foto: Pressestelle Bistum Regensburg/Harald Beitler

Jean-Claude Hollerich, Erzbischof von Luxemburg, ist seit 2018 Vorsitzender der COMECE. Foto: alx
Fotos: Alexandra Hofstätter und Pressestelle Bistum Regensburg/Harald Beitler