Ein Leben ohne ihr Engagement in der Bahnhofsmission? Das können sich viele der bayernweit 400 Ehrenamtlichen gar nicht mehr vorstellen.
Alten aus Syrien hat eine besondere Fähigkeit. Sie kann Herzen öffnen. Betrübten Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern, einsamen Gästen Zeit und Aufmerksamkeit schenken – auch dafür fühlt sich die 43-Jährige zuständig. Dass sie ganz nebenbei aus dem Arabischen übersetzt, ist für die Bahnhofsmission Würzburg wie die betroffenen Hilfesuchenden ein großes Plus.

Begeistert dabei: Alten Abdulrahman aus Syrien hilft ehrenamtlich in der Würzburger Bahnhofsmission.
Alten Abdulrahman floh 2015 mit ihrer Familie aus Syrien. Seit 2016 ist sie als Flüchtling anerkannt. Ein Jahr später begann sie ihr Ehrenamt. Wie auch ihr Ehemann arbeiten immer mehr geflüchtete Menschen als Freiwillige. Ihre Motivation? „Wir haben hier eine große Hilfsbereitschaft erlebt“, so Alten Abdulrahman, „davon möchten wir etwas zurückgeben“.
Kaum einem der Gäste in der Bahnhofsmission geht es wirklich gut, das hat die Syrerin schnell gemerkt, „für sie ist die Bahnhofsmission ein Licht.“ Eine Tasse Tee reichen, ehrliches Interesse und Respekt zeigen, zuhören, wenn jemand reden will. Alten Abdulrahman ist mit großer Begeisterung dabei, „die Bahnhofsmission ist wie eine zweite Familie – für uns und für viele unserer Gäste.“ Die Schicksale berühren sie und erinnern sie oft an ihre eigene Geschichte: „Manche haben wie wir alles verloren.“
Mittlerweile ist sie selbst wieder berufstätig, „aber ich bin trotzdem regelmäßig hier, sonst fehlt mir etwas.“ Sie ist stolz, zum Team der Bahnhofsmission zu gehören, etwas von ihrer Kultur zeigen und über das Leben in Deutschland lernen zu können. Was sie besonders glücklich macht? „Ein Lachen oder ein Dankeschön – das ist unbezahlbar.“
Fast 400 Ehrenamtliche engagieren sich in den dreizehn bayerischen Bahnhofsmissionen, um gemeinsam mit den Hauptamtlichen das Leben anderer Menschen ein bisschen besser zu machen. „Ohne sie wäre das vielseitige Angebot nicht aufrecht zu erhalten“, sagt Hedwig Gappa-Langer von der Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen Bahnhofsmissionen in Bayern.
Eine von ihnen ist die selbständige Schneidermeisterin Johanna Berchtenbreiter. Seit fünfzehn Jahren hat sie einmal in der Woche Dienst in der Augsburger Bahnhofsmission, ans Aufhören denkt sie nicht. Auch nach so vielen Jahren hält die Arbeit für sie noch viele Überraschungen bereit. „Leichter ist es sicher nicht geworden“, lautet ihr Fazit, „für viele unserer Besucher ist die Bahnhofsmission der letzte Anker, das ist manchmal eine große Herausforderung.“ Ihrer Motivation tut das keinen Abbruch. Denn schließlich bekommen sie und das Team etwas zurück, wenn es heißt: „Ihr seid meine Engel.“
Viel jünger sind die Gäste, die Helmut Lerche betreut. Der frühere Studiendirektor ist seit vielen Jahren für die Münchner Bahnhofsmission mit „Kids on Tour“ unterwegs. Im Rahmen des gleichnamigen Begleitangebots sorgt er dafür, dass allein reisende Kinder von München aus sicher mit dem Zug ans Ziel und damit beispielsweise zu einem getrennt lebenden Elternteil kommen. „Als Eisenbahnfreund macht mir das nicht nur Spaß“, so Lerche, „es fordert mich auch pädagogisch“. Schließlich soll auf den Fahrten Richtung Berlin oder Köln keine Langeweile aufkommen. Mit eigenen Zaubereien etwa, die sich um mathematische Tricks beim Zahlenraten oder auch um optische Täuschungen drehen, lässt er die Kinder ihr Handy schnell vergessen.
In Bayern halten 13 größtenteils ökumenisch getragene Bahnhofsmissionen ihre Türen für Reisende und Menschen in Not offen. 2018 hatten die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden 285.000 Mal Kontakt mit Hilfesuchenden. Insgesamt erbrachten sie fast 570.000 Hilfeleistungen vom Aufenthalt über Notverpflegung und Vermittlung bis zu seelsorgerlichen und Krisengesprächen.
Titelbild: Seit fünf Jahren dabei: Johanna Berchtenbreiter von der Bahnhofsmission Augsburg.
Fotos: Annette Bieber / Melanie Reitinger-Hönig