Als vor fast fünf Monaten das neue Jahr 2020 begann, konnte sich niemand ernsthaft vorstellen, dass ein kleines Virus unser Leben in einer Weise verändern wird, die alles bisher Gekannte in den Schatten stellt. In der Zeit der Ausgangsbeschränkungen waren viele froh um Worte, Gesten, Tipps und Anregungen, wie sie die Isolierung leichter ertragen konnten. Videofilme mit Beispielen für sportliche Übungen, Spiele mit Kindern, Bastelarbeiten und Kochrezepte erlebten eine Hochkonjunktur.
Und auch die Kirchen haben mehrfach unter Beweis gestellt, dass im Internet übertragene Gottesdienste eine große Zahl an Interessierten ansprechen können. Da und dort wurden sogar Menschen neu hinzugewonnen, die bislang nicht oder nur sehr selten den Weg zu einer liturgischen Feier in einem Kirchengebäude gefunden haben. So sahen mehr als 42.000 Menschen die Übertragung der Osternachtliturgie aus dem Münchner Liebfrauen-Dom. Auch die sozialen Dienste haben sich den aktuellen Herausforderungen gestellt und bieten verstärkt onlinebasierte Beratung und Hilfe an.
Und doch: Die Kontaktsperren der vergangenen Wochen haben Spuren hinterlassen. Sie haben schmerzlich bewusst gemacht, wie sehr wir auf die menschlichen Kontakte angewiesen sind, die eben nicht nur aus Telefonaten, Videokonferenzen, E-Mails oder Chats bestehen. Auf die direkten Kontakte zu verzichten, ist vielen sehr schwergefallen. Insbesondere Ältere und Kranke, die ihr Leben in Pflegeheimen oder Krankenhäusern ohne Kontakte zubringen mussten, hatten am meisten unter der fehlenden menschlichen Nähe zu leiden. Diese kann durch noch so schöne Bilder der Enkel nicht wirklich ersetzt werden.
„Social distancing“ lautete wochenlang das Stichwort. Dass wir gegenseitig auf Abstand gehen sollen, widerstrebt der menschlichen Natur, trotz der persönlichen Privatsphäre und Distanzzone, die jeder von uns braucht. Wenn diese Distanz aber von außen vorgegeben wird, ist es keine freiwillige Entscheidung mehr.
Dennoch haben sich an vielen Orten Vertrautheit und Solidarität aufgebaut, die trotz oder vielleicht gerade wegen der vorgeschriebenen Distanz von gegenseitiger Rücksichtnahme und Respekt geprägt waren. Wenn es gelingt, wenigstens einen Teil dieser Rücksichtnahme in die Zeit nach dem Virus hinüberzuretten, hätte diese Zeit mit all ihren Widrigkeiten vielleicht auch etwas Gutes gehabt.
Dann könnte der Motivationsspruch „hinfallen, aufstehen, Krone richten und weiter“ umformuliert werden zu: „hinfallen, aufstehen, Hände waschen, Corona entsorgen und Respekt zeigen.“
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