Edan und Justin sollen in Zukunft bei der Altenpflege unterstützen. Sie sollen für ältere Menschen Getränke holen oder die Zeitung bringen, vielleicht sogar beim Essen helfen. Aber Justin und Edan heißen nicht etwa die neuen Auszubildenden bei der Caritas, sondern die beiden Pflegeroboter – oder besser Assistenzroboter in der Pflege. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt sie gerade in Zusammenarbeit mit der Caritas.
Seit ungefähr zwei Jahren arbeiten DLR und Caritas im Projekt SMiLE (Servicerobotik für Menschen in Lebenssituationen mit Einschränkungen) gemeinsam daran, Personen im Alter und Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen ein selbständigeres Leben zu ermöglichen. Menschliche Pflege soll ergänzt werden, um sowohl Pflegende als auch zu Pflegende zu unterstützen und zu entlasten.
Georg Falterbaum ist Diözesan-Caritasdirektor der Erzdiözese München und Freising und begleitet das Projekt auf Seiten der Caritas: „Was ich mir wünschen würde, ist, dass Routinetätigkeiten, die ein menschliches Handeln nicht zwingend erfordern, technisch unterstützt ablaufen können, damit für die Mensch-zu-Mensch-Pflege mehr Zeit zur Verfügung steht. Dass der technische Fortschritt dafür genutzt wird, die Pflege menschlicher zu machen.“ Hierfür biete die Kooperation mit dem DLR den perfekten Rahmen: „Das DLR weiß, wie Roboter und künstliche Intelligenz und Assistenzsysteme funktionieren und wir, die Caritas, wissen, wie Pflege funktioniert und so arbeiten wir sehr konstruktiv zusammen.“
Justin und Edan

Bild: Caritas München und Freising
Konkret arbeiten die beiden Institutionen im Moment an Justin und Edan. Rollin‘ Justin ist ein humanoider, zweiarmiger, mobiler Heimassistenzroboter. Edan besteht aus einem Rollstuhl mit einem feinfühligen Leichtbauroboterarm und einer Fünf-Finger-Hand. Die beiden Roboter sollen einfache Hol- und Bringdienste ausführen und so den Pflegekräften mehr Zeit für die konkrete Pflege am Menschen schaffen. Diese solle auf keinen Fall durch Robotik ersetzt werden, sagt Georg Falterbaum: „Die Pflege wird aus unserer Überzeugung immer analog bleiben. Es geht um eine Unterstützung der Pflegemitarbeiter, aber auch der Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind.“ Konkrete Anwendungen können zum Beispiel sein, ein Getränk einzuschenken und das Glas zum Mund zu führen, so dass der zu Pflegende noch selbstständig ohne menschliche Unterstützung trinken kann. Oder der
Assistenzroboter kann dabei helfen, einen Menschen hochzuheben, um die Kräfte des Pflegenden zu schonen. Dabei reagieren die Roboter zum Beispiel auf Muskelanspannungen, das heißt, wenn ein bestimmter Muskel angespannt wird, vollzieht der Roboter die gewünschte Handlung. Aber auch Steuerungen durch Spracherkennung machen in bestimmten Bereichen Sinn. Ergänzend sollen alle technischen Hilfen auch immer von Verwandten oder Pflegekräften ferngesteuert werden können.
Um bedarfsgerechte Unterstützung zu ermöglichen, mussten die Ingenieure des DLR zuerst einmal verstehen, wo Assistenz in der Pflege benötigt wird. Die Caritas nahm sie mit vor Ort, um zu demonstrieren, wie Pflege im Alltag aussieht, sowohl im Altenheim als auch in der häuslichen Umgebung bei der ambulanten Pflege. Ungefähr zehn Mitarbeiter sind von Seiten des DLR am Projekt beteiligt und lassen ihr Wissen aus unterschiedlichen Bereichen, wie zum Beispiel Navigation, Feinfühligkeit, Lokalisierung oder Objekterkennung in das Projekt einfließen.
Auf den Bedarf zugeschnitten
Eine von ihnen ist Annette Hagengruber. Die studierte Medizintechnikerin sieht die Herausforderung ihrer Aufgabe darin, dass es kein Projekt aus Ingenieurssicht ist, sondern sie ganz neue Anwendungsgebiete der ursprünglich für die Raumfahrt entwickelten Technik kennenlernt und mit den Kompetenzen der Caritas arbeitet.

Getränke auffüllen oder Bettenmachen, das könnten Anwendungsgebiete von Assistenzrobotern in der Pflege werden. Foto: Sehr /Caritas München und Freising
Erst vor Ort könne man erkennen, bei welchen Aufgaben es sinnvoll sei, wenn sie von Assistenzrobotern übernommen werden. „Ein Pflegeheim, das wir besucht haben, hat eine Kapelle“, erzählt Annette Hagengruber. „Das Begleiten der Bewohner zur Kapelle dauert teilweise eine halbe bis dreiviertel Stunde und hält stark auf bei anderen Dingen. So haben wir erkannt, dass auch ein Begleitservice ein sinnvolles Anwendungsgebiet sein könnte.“ Spannend werden auch die ersten Tests in der Praxis, die noch dieses Jahr stattfinden sollen. Dabei sollen die Assistenzroboter in einem Altenheim zum Einsatz kommen, um zu sehen, wie gut sie in der Praxis funktionieren und wie die Menschen auf sie reagieren. Annette Hagengruber hängt die Messlatte für ihre Entwicklung hoch: „Wir haben natürlich den Anspruch, dass das ein robustes System wird und dass die Akzeptanz groß ist von den Anwendern, so dass wir mit dem, was wir entwickeln, wirklich aus dem Labor raus können und es in der Anwendung sehen können. Wir möchten sinnvolle Hilfe schaffen, die auch in der Pflege eingesetzt werden kann, um dort etwas zu bewirken.“
Ob und wann Roboter dann aber wirklich in der Pflege eingesetzt werden, ist auf Seiten der Caritas noch lange nicht entschieden. Laut Georg Falterbaum gibt es hier auch keinen Zeitdruck, zu viele Aspekte spielen eine Rolle und die Caritas wolle die Entscheidung gründlich treffen. „Es muss die freiwillige Entscheidung von einem jeden zu Pflegenden sein: Jawohl, ich möchte mich von einem Assistenzsystem unterstützen lassen. Und wenn es um Hol- und Bringdienste geht, hat das, so denke ich, auch nur Vorteile. Vielleicht hat auch jemand Freude an dem Umgang mit Technik.“
Technik kann nicht alles ersetzen
Die Grenze verlaufe für ihn da, wo es um die eigentliche Pflege geht, also um Mundhygiene, Haare waschen oder kämmen, ankleiden, Behandlungspflege wie Insulin spritzen, das Verabreichen von Medikamenten. Hier werde die Technik wohl auch in den nächsten zehn Jahren nicht in der Lage sein, konkrete Pflege am Menschen durchzuführen, prognostiziert Falterbaum. Und selbst wenn: „Unser Ziel als Caritas ist es auch, die Frage zu beantworten: Wollen wir überhaupt das, was technisch möglich ist? Auch ethische Fragestellungen sind hier zu beantworten. Und eine Entscheidung, dass wir Assistenzsysteme zum Einsatz kommen lassen, haben wir als Caritas noch nicht getroffen.“
Wann Justin und Edan ihren ersten Arbeitstag haben werden, steht also noch in den Sternen. Auch die Finanzierbarkeit spielt hier eine große Rolle, die stark von der Akzeptanz bei den Krankenkassen abhängt, denn im Moment finanziert die Caritas das Forschungsprojekt aus eigener Tasche. Außerdem muss es möglich sein, dass menschliche und robotische Pflegende Hand in Hand arbeiten können, ohne dass sich das Pflegepersonal von der Technik bei der Arbeitsplatzsuche bedroht fühlt. Dieses Risikos ist sich Georg Falterbaum bewusst: „Falsch fänden wir, wenn man die Entwicklung zum Anlass nähme, die menschliche Pflege zu reduzieren, nach dem Motto: Jetzt nehmen wir zwei Stunden Roboter und dafür werden zwei Stunden menschliche Pflege reduziert. Das würden wir ablehnen. Aber die Gefahr sehen wir natürlich.“

Getränke auffüllen oder Bettenmachen, das könnten Anwendungsgebiete von Assistenzrobotern in der Pflege werden. Foto: Sehr / Caritas München und Freising
Gleichzeitig denkt er, dass der Einsatz von Robotik eine große Chance für die Pflegeberufe sein kann: „Es könnten auch durchaus neue Berufsbilder entstehen, der Pflegetechniker oder Telepflegeassistent. Das wäre entweder ein neues Berufsbild oder eine deutliche Erweiterung des bestehenden Berufsbilds. Möglicherweise trägt das dazu bei, dass der Pflegeberuf attraktiver wird, zumindest für technisch affine Menschen.“
Foto: Sehr / Caritas München und Freising