Klimaschutz ist wichtig, allen Unkenrufen und Untergangsszenarien zum Trotz – in seiner ökosozialen Enzyklika Laudato si‘ hat Papst Franziskus den Grundauftrag zur Bewahrung der Schöpfung neu buchstabiert und den Themen rund um Artenschutz, Nachhaltigkeit und Klimawandel damit nicht nur Rückenwind gegeben, sondern auch eines: neue Hoffnung.
Die aktuellen Prognosen der Naturwissenschaftler könnten zur Resignation verleiten. Die angestrebte Begrenzung der Klimaerwärmung rückt mit dem Scheitern des Klimagipfels in Madrid in immer weitere Ferne. Der sehr milde Winter in Bayern und die Waldbrände in Australien sind weitere Anzeichen für die Erdüberhitzung, von der wir treffender sprechen müssen. Ein effektives Umsteuern scheint nicht in Sicht.
Und doch ist gerade jetzt die Zeit, nicht die Hoffnung zu verlieren. Viel mehr Menschen als früher sind bereit, nicht nur von der Politik zu fordern, sondern auch den eigenen Lebensstil zu verändern, ihn ökologischer auszurichten. Ein neues „Wir“ in der gemeinsamen Bedrohungssituation entsteht, die Fixierung auf das eigene „Ich“ wird relativiert. An diese Bereitschaft, sich als Teil der Menschheitsfamilie und des gesamten Ökosystems zu begreifen, können auch christliche Grundüberzeugungen anknüpfen.
Bekanntes neu buchstabiert in Laudato si‘
Der Grundauftrag aus dem Buch Genesis, die Erde „zu bebauen und zu behüten“ (Gen 2,15) gehört zum innersten Kern unseres Glaubensverständnisses: Gott hat die Erde geschaffen und sie uns zur behutsamen Nutzung zur Verfügung gestellt – Verantwortung und Fürsorge für alle schwächeren Mitgeschöpfe und das gesamte Ökosystem inklusive.
Da alle Geschöpfe miteinander verbunden sind, muss jedes mit Liebe und Bewunderung gewürdigt werden, und alle sind wir aufeinander angewiesen. (LS 42)
In seine ökosoziale Enzyklika Laudato si‘ hat Papst Franziskus all seine Liebe und seine Sorge um die gesamte Schöpfungsfamilie hineingelegt. Er prangert mit gewohnt radikalen Worten die Missstände im Zusammenleben der Menschen untereinander und mit der Schöpfung an und behält gleichzeitig seinen hohen Ton der Zuversicht bei. In der Motivation für einen ökologischeren Lebensstil geht er sehr behutsam vor und versucht alle Menschen zu erreichen, egal welcher Herkunft und Sozialisation. Ein schönes Beispiel ist seine Argumentation für den Einsatz gegen Artensterben.
Behutsame Argumentation für Artenschutz
Zunächst appelliert Papst Franziskus allgemein an die Vernunft und erinnert daran, dass Artenschutz im ureigenen Interesse aller Menschen liegt: Der Verlust von Wildnissen und Wäldern bringt zugleich den Verlust von Arten mit sich, die in Zukunft äußerst wichtige Ressourcen darstellen könnten, nicht nur für die Ernährung, sondern auch für die Heilung von Krankheiten und für vielfältige Dienste. (LS 32)
Im nächsten Schritt ermutigt er Menschen mit Verantwortungsethik, fürsorglich für Schwächere ohne eigene Stimme einzutreten: Doch es genügt nicht, an die verschiedenen Arten nur als eventuelle nutzbare „Ressourcen“ zu denken und zu vergessen, dass sie einen Eigenwert besitzen. Jedes Jahr verschwinden Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können, verloren für immer. Die weitaus größte Mehrheit stirbt aus Gründen aus, die mit irgendeinem menschlichen Tun zusammenhängen. (LS 33)
Und erst im dritten Schritt bringt er ein dezidiert theologisches Argument ein, indem er an die Bedeutung der Schöpfung für das Gottesbild derer erinnert, die an Ihn glauben:
Unseretwegen können bereits Tausende Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu haben wir kein Recht. (LS 33)
Christliche Motivation für Umweltengagement
Dieses Beispiel zum Artenschutz zeigt: Über die rationalen Argumente für einen schonenden Umgang mit den endlichen Ressourcen dieser Erde hinaus, können wir Christen aus unserer Glaubensüberzeugung noch tiefere Motivation ziehen, die uns auch über aussichtslos scheinende Situationen trägt:
Unsere eigene Würde steht auf dem Spiel
Als Teil der Schöpfung sind auch wir Menschen mit einem Eigenwert von Gott geschaffen. Unsere spezifische Würde gründet sich auf unsere „moralische Struktur“ (LS 115) und ist eng verbunden mit den existenziellen Fragen:
„Wozu gehen wir durch diese Welt, wozu sind wir in dieses Leben gekommen, wozu arbeiten wir und mühen uns ab, wozu braucht uns diese Erde? … Wir müssen uns bewusst werden, dass unsere eigene Würde auf dem Spiel steht … Das ist ein Drama für uns selbst, denn dies beleuchtet kritisch den Sinn unseres eigenen Lebensweges auf dieser Erde.“ (LS 160).
Das Bemühen um einen redlichen Umgang mit der Erde und allen Mitgeschöpfen kann eine Antwort auf diese Fragen sein.
Ökosoziale Gerechtigkeit als Ziel
Der biblische Grundgedanke der Fürsorge für Schwächere, Unterdrückte und Ausgebeutete ist leicht zu übertragen auf die Sorge um die verletzte, zerrissene, in Teilen bereits entstellte und bedrohte Erde. Unsere herausragende Gestaltungsmacht birgt die Gefahr des Missbrauchs und der Ausbeutung. Deshalb geht es darum, unser Handeln so auszurichten, dass wir mit der Befriedigung unserer Bedürfnisse möglichst wenig Schaden anrichten. Mit passivem Nicht-Schaden-Wollen ist es jedoch nicht getan. Zu einem schöpfungsethisch ausgerichteten, christlichen Leben gehört der aktive Einsatz dafür, dass alle – gerade die Mitgeschöpfe ohne eigene Stimme – zu ihrem Recht kommen.
Die Vielfalt der Schöpfung sehen
Der Wert der nichtmenschlichen Schöpfung geht weit über den Wert hinaus, den sie für uns Menschen hat. Gott beauftragte Noah, die Artenvielfalt zu retten, damit die unterschiedlichen Arten auf der ganzen Erde am Leben bleiben (Gen 7,3). Die Schöpfungspsalmen und viele Prophetenworte (z.B. Jesaja 41,19–20, Psalm 104) erinnern uns daran, dass wir etwas über Gottes Art und unsere menschliche Natur lernen, wenn wir die Natur beobachten. Jedes Mal wenn wir zulassen, dass Geschöpfe aussterben, egal ob durch Gier oder Gedankenlosigkeit, entfernen wir ein Stück von Gottes Selbstoffenbarung in der Schöpfung.
Hoffen wider alle Hoffnung
Der biblische Zielpunkt ist das Wachsen eines „neuen Himmels und einer neuen Erde“, wo ökosoziale Gerechtigkeit herrschen wird. Unsere Umweltschutzaktivitäten dienen demgemäß nicht dem Hinauszögern des Weltuntergangs, sondern sind Mosaiksteine auf dem Weg zu einer besseren Welt. Die Zusage, auf eine Vollendung hinzuleben, wirkt jeder apokalyptischen Unheilsdrohung entgegen.
Auch Papst Franziskus lebt aus dieser Zuversicht, dass Gott seine Schöpfung nicht auf Verderben, sondern auf Vollendung hin gedacht hat. Diese Hoffnung prägt Laudato si‘. Ein leidenschaftlicheres Plädoyer für ein gerechtes Miteinander von den Mikroorganismen über Bienen, Vögel, Wild- und Nutztiere und die gesamte Menschheitsfamilie im gemeinsamen Haus Erde lässt sich wohl kaum finden. Die Enzyklika berührt doppelt: in ihrer Eindringlichkeit und in ihrem Zuspruch, es ist noch nicht zu spät für „eine Zeit der freudigen Feier des Lebens“ (LS 207).
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