Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2021

Schwerpunkt

"Die grüne Lunge trocknet aus"

Foto: Adveniat

2,2 Milliarden Menschen leiden unter Wasserknappheit und haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser (UNICEF 2021) – daran erinnert an jedem 22. März der Weltwassertag. Dieses Jahr stand er unter dem Motto „Wert des Wassers“, womit aufmerksam gemacht wurde, dass Wasser von essenzieller Bedeutung für Menschen, Tiere und Umwelt ist.

 

Weltweit wurde dazu aufgerufen, sich Gedanken über die lebenswichtige Ressource Wasser zu machen. Obwohl die Erde zum größten Teil von Wasser bedeckt ist, herrscht in vielen Regionen empfindlicher Wassermangel. Betroffen sind besonders Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika – vor allem in ländlichen Gebieten.

 

Die Abholzung großer Regenwaldflächen ist eines der größten Probleme im Amazonas-Gebiet. Foto: Adveniat

Dies bestätigt Christian Selbherr, Redakteur beim missio magazin, der Zeitschrift des katholischen Hilfswerks missio in München. Dabei geht er hauptsächlich auf die Ausbreitung der Wüste in Westafrika in der Sahelzone ein. Dort herrschen Wasserknappheit und Dürre, sodass sogar Kriege um Wasser geführt werden. Da das gut bewässerte Land knapper wird, kommt es nicht selten zu Konflikten zwischen verschiedenen Volksgruppen, wie beispielsweise in Burkina Faso. Für die Wüstenausbreitung nennt Christian Selbherr vielfältige Gründe: Zum einen tragen der Klimawandel und die damit verbundene globale Erwärmung zum Wachstum der Wüsten bei. Zum anderen sind auch die Menschen vor Ort dafür verantwortlich. Landwirtschaft und Abholzung sind wesentliche Ursachen für die voranschreitende Verwüstung. Ganze Waldregionen werden für verschiedene Konzerne abgeholzt und in Kakao- oder Kaffeeplantagen verwandelt.

Die zunehmende Ausbreitung der Wüste hat fatale Folgen für Menschen, Tiere und Natur. Die Gefahr von Waldbränden mit schwerwiegenden Folgen verschärft sich. Der Wasserhaushalt ist gestört und die Fruchtbarkeit der Böden lässt nach, sodass vegetationsfreie Flächen entstehen. Der Boden trocknet aus und die Artenvielfalt nimmt ab. Neben Hungersnöten und Naturkatastrophen nehmen Flucht- und Migrationsbewegungen zu. Dies ist zum Beispiel in Burkina Faso der Fall.

Besonders jüngere Menschen aus ländlichen Gebieten wandern in die Städte ab, weil sie sich dort ein besseres Leben erhoffen. Wobei der Wassermangel jedoch nur ein Faktor von vielen ist, erklärt Christian Selbherr. Als Hilfswerk ist missio mit den kirchlichen Strukturen der verschiedenen Länder verbunden und hilft den Menschen unter anderem in Burkina Faso, die Dorfgemeinschaft durch gemeinsame Brunnenbau-Aktionen zu stärken. Somit können mögliche Konflikte um das immer knapper werdende Wasser vermieden werden.

Soziale Probleme

Wasserholen ist in Afrika oft Frauensache – wie hier in Burkina Faso müssen Frauen und Mädchen oft kilometerlange Strecken bis zum nächsten Brunnen laufen. Nicht selten sollen Mädchen die Schule abbrechen, um dabei zu helfen. Foto: Jörg Böthling / missio

Der richtige Umgang mit Wasser sei mindestens genauso wichtig, betont Michael Kleiner, Leiter der Abteilung Weltkirche in der Erzdiözese Bamberg. Neben dem Bau neuer Brunnen werden im Senegal beispielsweise wassersparende Bewässerungstechniken wie Tröpfchenbewässerung eingeführt, mit denen etwa 80 Prozent an Wasser gespart werden können. Das Erzbistum Bamberg ist durch eine Diözesanpartnerschaft eng mit dem Senegal verbunden. Dort hat die zunehmende Trockenheit – wie auch in anderen afrikanischen Ländern – fatale Auswirkungen. „Viele Menschen haben keine Existenzgrundlage mehr, in ihrer Heimat zu leben, was Migration in die Ballungszentren des Senegals bis hin zu illegaler Migration zur Folge hat“, erklärt Michael Kleiner.

Besonders für Frauen stellt Wasserknappheit ein großes Problem dar, da sie oft kilometerweit laufen müssen, um für ihre Familien sauberes Trinkwasser aus weit entfernten Brunnen zu holen. Dies führt wiederum zu vielfältigen sozialen Problemen, wie etwa der zunehmenden Verschärfung der Geschlechterrollen und der Benachteiligung von Mädchen. Sie werden dazu erzogen, Wasser zu holen, und häufig gezwungen, die Schule abzubrechen. Durch regelmäßige Projektförderung unterstützt das Erzbistum Bamberg seine Partnerdiözese dabei, den Menschen in ländlichen Regionen nicht nur das Überleben zu sichern, sondern ihnen auch einen angemessenen Wohlstand zu ermöglichen. Da der Grundwasserspiegel tiefer absinkt, besteht aktuell neben dem Bau neuer Brunnen die Notwendigkeit, bestehende Brunnen tiefer zu bohren. „Für eine gute Zusammenarbeit ist es wichtig, sich auf Augenhöhe zu begegnen und den Standpunkt des Partners zu respektieren und zu verstehen“, so Michael Kleiner. 

Wird der Regenwald zur Savanne?

Zwei Frauen im Tschad holen frisches, sauberes Trinkwasser für ihre Familien aus einem Brunnen. Foto: Jörg Böthling / missio

Auch der Amazonas-Regenwald ist von den Folgen des Klimawandels betroffen. Dort gerät der Wasserhaushalt aus dem Gleichgewicht. Warum das Amazonasgebiet so schützenswert ist, erklärt Stephan Neumann. Er ist seit Jahren Teil der Arbeitsgemeinschaft „Zukunft Amazonas“ bei Adveniat, war mit Journalisten im Amazonasgebiet unterwegs und hat an der Amazonien-Synode in Rom teilgenommen. Adveniat setzt sich für Repam (länderübergreifendes kirchliches Netzwerk in Lateinamerika) ein. Es werden vor allem Problemlagen analysiert und Hilfsmaßnahmen koordiniert. Mit der finanziellen Unterstützung werden Angehörige indigener Völker und kirchliche Mitarbeiter ausgebildet, die Rechte der Indigenen einzuklagen und gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen.

Obwohl auch sauberes Trinkwasser und eine sanitäre Grundversorgung ein Menschenrecht sind, werden neben dem Austrocknen des Amazonas-Regenwaldes die Flüsse verunreinigt. Zum einen verwenden viele Goldgräber überwiegend hochtoxisches Quecksilber beim Waschen von Gold, zum anderen wird Chemie in der Landwirtschaft eingesetzt. All das hat Konsequenzen für das Trinkwasser der Menschen des Amazonasgebiets. Darüber hinaus werden der Lebensraum der dort lebenden indigenen Völker und die Artenvielfalt durch Abholzung riesiger Tropenwaldflächen zerstört oder zumindest verkleinert. Ursachen für die Abholzung sind zum Beispiel die Rinderzucht, der Anbau von Soja als Futtermittel und die Gewinnung von Palmöl. Neben Abholzungen setzen fehlender Regen und Brände dem Regenwald immer weiter zu. Die Sorge, dass Teile des Amazonasgebiets zur Savanne werden, wird immer größer.

Konsumverhalten hinterfragen

Das Amazonasgebiet steht für eine große Artenvielfalt, ist Heimat für indigene Völker sowie Regulator für das Weltklima – doch sein Gleichgewicht wird massiv gestört. „Der Amazonas-Regenwald produziert etwa 20 Prozent des weltweiten Sauerstoffs, nicht umsonst wird er als ‚grüne Lunge der Erde‘ bezeichnet“, betont Stephan Neumann. Der Verlust des Amazonas hätte verheerende Folgen für das Weltklima. Unsere Lebensweise hier steht in direktem Zusammenhang mit der enormen Rodung und dem damit einhergehenden Klimawandel. Eine aktuelle Studie der Naturschutzorganisation WWF zeigt, dass der tropische Lebensraum vor allem für europäische Importe zerstört wird. Weltweit ist die EU der zweitgrößte Importeur von Produkten, die auf den gerodeten Flächen angebaut werden. Wesentlich ist, dass wir immer wieder unsere Art zu leben im Blick behalten und hinterfragen, welche Auswirkungen diese weltweit hat“, so Stephan Neumann. Beispielsweise könnte man den eigenen Fleischkonsum öfter kritisch hinterfragen.


Titelfoto: Es braucht nicht viele Worte, um zu erklären, weshalb der Amazonas-Regenwald auch „die grüne Lunge der Erde“ genannt wird.


Verfasst von:

Muhadj Adnan

Freie Journalistin