Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2021

Schwerpunkt

Kostbares Nass

Foto: Korkeng / Adobe stock

Der Aphorismus „Alles fließt“ geht auf den griechischen Philosophen Heraklit (etwa 520 bis 460 v. Chr.) zurück. Die so genannte Flusslehre Heraklits meint nichts anderes als, dass nichts bleibt, wie es ist. Wörtlich heißt es in den „Flussfragmenten“ von Heraklit: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“

In vielen Weltanschauungen und Religionen symbolisiert der Urstoff Wasser den Zustand vor der Schöpfung oder den Urgrund allen Seins. Nicht selten steht somit das Wasser im doppelten Wortsinn für die Ur-Quelle des Lebens so wie die Welt aus einem Urmeer entstanden ist, das alle anderen Elemente und Lebewesen hervorbringt.

Zugleich wird dem Wasser aber auch ein bedrohlicher Charakter zugesprochen, da es durch Überflutungen Chaos und Zerstörung verursachen kann. Die biblische Sintflut (Gen 6, 5 – 8, 22) ist Ausdruck dieser Angst und steht beispielhaft für zahlreiche solcher mythologischen Erzählungen in unterschiedlichen Kulturen. Das Neue Testament berichtet sowohl von der Furcht vor dem Seesturm (Mk 4, 35-41) als auch von der Gottesbegegnung beim Seewandel (Mk 6, 45-52).

Trotz dieser Ambivalenz steht die lebensspendende Kraft des Wassers in den meisten Religionen im Vordergrund: Quellen, Seen, Bäche und Flüsse gelten als Orte, von denen Heilung und Fruchtbarkeit ausgehen. Brot und Wasser zählen in der Bibel zu den wichtigsten Lebensmitteln (vgl. Ex 15, 22-25; Ex 23, 25; Jes 12, 3; Mt 6, 9-13).

Paulus sieht im Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer ein Vorzeichen für die Taufe auf den Namen Jesu: die Rettung des Gottesvolkes durch die bedrohlichen Fluten führte zu einer Reinigung und zur Verheißung eines neuen Lebens (vgl. 1 Kor 10, 1-2 und Ex 14, 15-31). Von der Reinigungskraft des Wassers ist auch in der Erzählung von der Sünderin (Lk 7, 44) die Rede, ähnlich wie Jesus im Gespräch am Jakobsbrunnen (Joh 4, 7-30) das Wasser als Symbol ewigen Lebens bezeichnet und er in seiner Streitrede im Tempel (Joh 7, 37-39) Ströme lebendigen Wassers verheißt.

Alles im Fluss

Schon Johannes stieg in den Jordan, um mit dem Flusswasser zu taufen (Mt 3, 1-17). Ob Anhänger oder Gegner – alle nennen ihn nur den „Täufer“. Die Taufe mit dem Wasser ist allerdings nicht sein einziges Markenzeichen: sein Handeln ist ohne seine Predigt, ohne seinen Aufruf zur Umkehr und zur Buße nicht denkbar. So sehr die Taufe und das Übergießen mit dem oder das Eintauchen in das Wasser als Zeichen dafür steht, von den Sünden reingewaschen zu werden, wäre sie ohne die entsprechende Bereitschaft zur Umkehr nur ein leeres Ritual (vgl. Apg 22, 16 und Hebr 10, 22-23).

Das Christentum konnte sich der Faszination des fließenden Wassers nicht entziehen, während das stehende, leicht verderbliche Wasser als Sitz dämonischer Kräfte gilt. Deswegen muss dieses Wasser vor dem Gebrauch gesegnet werden, um so zum Weihwasser oder Taufwasser werden zu können. In der frühchristlichen Kirche wurden die Täuflinge durch Untertauchen in fließendes Wasser getauft – nach dem Vorbild der Taufe Jesu und dem Bericht über die Taufe eines Äthiopiers durch Philippus (vgl. Apg 8, 26-39). In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. wurden beim Bau von Kirchen eigene Taufkapellen (Baptisterien) errichtet. Darin befand sich ein großes Becken, das meist mit fließendem Wasser verbunden war und in das die Täuflinge dreimal eingetaucht werden konnten.

In der Liturgie wird Wasser manchmal aus praktischen Gründen verwendet, um etwa liturgische Geräte wie den Kelch in der Eucharistiefeier zu reinigen. Überwiegend kommt dem Wasser aber zusätzlich eine symbolische Bedeutung zu: die Taufe, die Handwaschung vor dem Hochgebet sowie die Mischung von Wasser und Wein in der Eucharistie, die Besprengung mit Wasser bei der Krankensalbung und beim Begräbnis oder auch die Fußwaschung am Gründonnerstag (Joh 13, 1-11) sind solche symbolträchtigen Handlungen.

Taufe

Im Vordergrund steht bei der Taufe die gläubige Annahme der Botschaft Jesu Christi, die sich durch Umkehr in der Lebenshaltung und Hinwendung zu Christus und zur christlichen Gemeinschaft (Kirche) manifestiert. Sichtbares Zeichen dieser Hinwendung ist die Taufe als Reinigungsbad zur Vergebung der Sünden und der Empfang der Gabe des Heiligen Geistes (Apg 2, 38). Die Taufe ist somit Teil der so genannten Initiationsriten, der Riten zur Eingliederung in die Kirche, die durch die Salbung in der Firmung bestärkt und in der Zulassung zur Feier der Eucharistie vervollständigt wird. Diese Abfolge des Sakramentenempfangs wäre theologisch gesehen eigentlich angezeigt.

Lobpreis und Anrufung Gottes über dem Wasser gehören nach der Liturgiereform durch das Zweite Vatikanische Konzil wieder zum Herzstück der Taufliturgie. Deshalb stehen bei ihrer Feier entsprechende Segensgebete zur Auswahl. Wenn in der Osternacht Taufe und Taufwassersegnung entfallen, dann findet eine Wassersegnung durch Eintauchen der Osterkerze statt. Die Feier der Kindertaufe hebt das Taufen durch Untertauchen hervor. Ein Taufbrunnen mit fließendem Wasser wäre ideal.

Weihwasser

Der Brauch, Wasser für die religiöse Reinigung zu verwenden, wurde ab dem 4. Jahrhundert auch von vielen christlichen Gemeinden übernommen. Heidnische Tempel wurden mit Wasser gereinigt, bevor sie für christliche Gottesdienste verwendet werden konnten. Das Wasser wurde dafür eigens durch Gebete und Exorzismen geweiht. Aus diesen gelegentlichen Feiern entwickelte sich ab dem 8. Jahrhundert eine sonntägliche Wasserweihe mit Aussprengung (Asperges). Damit verbunden wurde relativ früh das Versprechen der Tauferneuerung.

Im Mittelalter weitete sich der Gebrauch des Weihwassers hin zum so genannten Stallsegen aus, um so einen Schutz für Haus, Hof und Tiere zu erbitten. Für die heute vorgesehenen größeren öffentlichen Segnungen wird das dabei verwendete Wasser in der jeweiligen Feier direkt durch ein eigenes Gebet gesegnet. Aber das Benediktionale enthält auch ein eigenes Formular zur Wasserweihe. Das Messbuch bietet eine Segnung des Weihwassers für die sonntägliche Besprengung (Asperges) sowie eine Wassersegnung in der Osternacht an.

Östliche Kirchen praktizieren bis heute eine Wasserweihe am Fest Erscheinung des Herrn (Dreikönigstag), bei der in einer Prozession an einen Fluss oder See gezogen wird, wo ein Kreuz hineingesenkt wird. Dadurch soll die Taufe Jesu im Jordan symbolisiert werden und die Gläubigen können das so geweihte Wasser mit nach Hause nehmen. In den westlichen Kirchen entwickelte sich eine solche Tradition zwar nicht, aber auch hier nehmen die Gläubigen Weihwasser mit nach Hause, insbesondere im Anschluss an die Ostergottesdienste.

Kostbarkeit

Die besondere Bedeutung des Wassers ist innerhalb der Liturgie nicht zu übersehen, da sie sowohl den praktischen Nutzen durch die Reinigungskraft des Wassers kennt als auch den hohen Symbolgehalt, der damit verbunden ist. Sie kann dazu beitragen, dass wir auch im Alltag Wasser wieder wertschätzen als kostbares Nass. Trotz aller Gefahren, die vom Wasser ausgehen können, ist seine lebensspendende Kraft für uns Menschen sowie für die gesamte Schöpfung unverzichtbar.

Zum Weiterlesen:

  • Rupert Berger (Hrsg.), Neues Pastoralliturgisches Handlexikon, Verlag Herder, Freiburg 1999
  • Gottesdienst der Kirche – Handbuch der Liturgiewissenschaft, Bd. 7,1, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1989
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Verlag Herder, Freiburg 1993 bis 2001

Verfasst von:

Karl Eder

Dr. Karl Eder ist Geschäftsführer des Landeskomitees der Katholiken in Bayern sowie Vorsitzender der Aktion für das Leben e. V. Er ist promovierter Liturgiewissenschaftler.