Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2022

Kolumne

Einfach mal mitnehmen

Viele Kinder träumen davon, im Spielwarenladen all das einfach mitnehmen zu dürfen, was gefällt: sei es das aufregendste Spielzeug, das süßeste Stofftier, die neueste Spielekonsole oder auch den letzten Schrei auf dem Handymarkt. Und das alles, ohne dafür bezahlen zu müssen. Was im Internet vordergründig bereits möglich ist, da man zumindest kein Bargeld für den Kauf der gewünschten Produkte auf den Tisch legen muss, soll künftig auch beim realen Einkauf in Präsenzform gelten.

Der Discounter Aldi Nord testet seit diesem Jahr in den Niederlanden die erste Filiale, in der nicht mehr bezahlt werden muss. Sie haben richtig gelesen: in den Supermarkt gehen, in den Einkaufswagen legen, was einem gefällt, und mit den ausgesuchten Waren einfach hinausspazieren und mit nachhause nehmen. Was sich fast wie im Märchen anhört, soll nach und nach auch in Deutschland Realität werden.

Paradiesische Zustände? Na ja, nicht ganz. Auch Aldi hat natürlich nichts zu verschenken, so märchenhaft sich diese Geschichte zunächst anhören mag. Aber die Supermarktkette will den Einkauf in ihren Läden zumindest deutlich bequemer machen. Die Kunden brauchen künftig in der Tat die ausgewählten Produkte nur noch drei Mal in die Hand zu nehmen (vom Regal in den Einkaufswagen, von dort in das Fahrzeug und am Ende in die Wohnung) und nicht wie bisher fünf Mal: vom Regal in den Einkaufswagen, dann auf das Förderband an der Kasse, vom Förderband wieder zurück in den Einkaufwagen, von dort in das Fahrzeug und endlich in die Wohnung.

In der Innenstadt von Utrecht in den Niederlanden eröffnete Aldi Anfang dieses Jahres eine Filiale, die ganz ohne Kassen auskommt. Kunden benötigen nur noch eine App und müssen sich mit einem QR-Code aus dieser App beim Betreten und Verlassen des Geschäfts identifizieren. Alles andere erledigen Sensoren in den Regalböden sowie die im Store eingesetzte Kameratechnik, die alle im Markt befindlichen Einkaufswagen erfasst und dem richtigen Kunden zuordnet.

Die App ermöglicht einen komplett kontaktlosen und automatisierten Bezahlvorgang beim Verlassen der Filiale. Die Kunden verlassen also einfach den Laden, müssen nicht mehr in der Schlange an der Kasse stehen und ihre Waren zweimal hin- und herräumen. Auf der App sei es möglich, die eigenen Einkäufe noch einmal zu überprüfen und dafür Bewertungen abzugeben. Auch die Rückgabe inklusive Erstattungen soll ähnlich reibungslos funktionieren. Der Frust darüber, sich mal wieder an der falschen Kasse eingeordnet zu haben und entsprechend lange in der Schlange zu stehen, dürfte damit endlich der Vergangenheit angehören.

Gefährlich könnte das neue Einkaufserlebnis nur dann werden, wenn die Kunden meinen, einen solchen Markt wunschlos glücklich besuchen und verlassen zu können, da weder Bargeld noch Kreditkarte gezückt werden müssen. Beim Blick auf das Bank- oder Kreditkartenkonto könnte dieser Wunschtraum eventuell zum Alptraum werden.

Titelbild: Nonnie192/Adobe stock


Verfasst von:

Karl Eder

Dr. Karl Eder ist Geschäftsführer des Landeskomitees der Katholiken in Bayern sowie Vorsitzender der Aktion für das Leben e. V. Er ist promovierter Liturgiewissenschaftler.