Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2023

Editorial

Die Kirche im Dorf lassen?

Foto: Adrian72 / Adobe stock

Liebe Leserin, Lieber Leser,

wer die Kirche im Dorf lassen soll, wird meist angemahnt, seine eigene Sache nicht zu wichtig zu nehmen. Mach du deins und lass meins in Ruhe. Das würde vielleicht einige Probleme lösen. Oder ausblenden. Jetzt sollen zwei schwere Begriffe wie Kirche und Politik in einem Heft zusammenkommen. Eine strikte Trennung wäre wohl einfacher. Die enge Verbindung von Staat und Kirche allein schon grammatikalisch als Staatskirche hat in der Christentumsgeschichte ja für dunkelste Momente gesorgt.

Andererseits geht es in der Politik wie auch in der Gemeinschaft aller Getauften um den gleichen Menschen, um die gleiche Lebenswelt. Politik hat die Macht, Gesetze und Rahmenbedingungen zu gestalten, gerechte Strukturen zu schaffen, die die Würde und Rechte jedes Einzelnen schützen. Kirche verkündet eine Botschaft von Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Frieden und ermutigt Menschen, sich aktiv für das Gemeinwohl einzusetzen. Kirche ist nicht die bessere Partei, wie unser Interviewpartner Matthias Belafi ermahnt. Pfarrgemeinden stehen immer mehr unter Druck, wie sie Menschen noch Hilfe leisten und sie in ihren Bedürfnissen und Lebensherausforderungen begleiten können.

Auf den folgenden Seiten werden Perspektiven genannt, wie das Zusammenspiel zwischen Politikerinnen und Politikern, die nicht selten ehrenamtlich hoch engagiert sind, und kirchlichen Akteuren funktionieren kann. Das soll dafür sorgen, dass künftige Historikerinnen und Historiker über uns nicht von den dunklen Stunden der Christentumsgeschichte sprechen können. Wenn Säkularisierung hauptsächlich von Kirchenstrukturen, Ämtern und Lehren spricht, sollten wir vielleicht eher von anderen Orten reden, von veränderten Zusammenhängen, von der Fähigkeit des Menschen, über sich selbst hinauszudenken und -fühlen zu können. Das wäre Transformation. Auch wird in einer Gemeinschaft nunmal gestritten, auch in einer mit Gott. Ein Zusammenraufen könnte doch Teil des Plans sein. 

Menschen, die sich einmischen, Haltung zeigen, die sich bemühen, jede und jeden aufgrund seiner Würde als Einzelperson anzunehmen und Gemeinschaft zu bilden, sollten die Normalität sein und nicht als die komischen Außenseiter gelten, die für ihr ehrenamtliches Engagement gerade im kirchlichen Rahmen beäugt werden.

So wünschen wir Ihnen, dass das Heft dazu beiträgt, dass die Kirche eben nicht im Dorf bleiben wird, dass es über den Kirchturm hinaus gute und gestaltbare Perspektiven gibt und dass Sie dazu Impulse finden.

Viel Freude beim Lesen und gute Anregungen für Ihre kirchliche Arbeit wünscht Ihnen

 

 

Hannes Bräutigam, Redaktion


Verfasst von:

Hannes Bräutigam

Redaktionsleiter