Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2024

Schwerpunkt

„Brauche jemanden, der mir das deutet.“

In Kleingruppen auf einem „Jesustrail“ unterwegs, meist mit geistlicher Betreuung, die vielen sehr wichtig ist. Foto: Bayerisches Pilgerbüro

Hilfe bei konkreten Fragen und Problemen

Das Bayerische Pilgerbüro und die Pilgerstelle Peregrinatio für die Erzdiözese München und Freising bieten Fuß-, Bahn-, Bus- und sogar Flugpilgerreisen an. Allein Peregrinatio hatte im Jahr 2023 mehr als 350 Teilnehmende auf den angebotenen Diözesanpilgerreisen, sowie gut 200 weitere Personen auf exklusiven Reisen für beispielsweise Pfarreien, die das Büro organisiert oder vermittelt hat. Der Geschäftsstellenleiter der Pilgerstelle, Ralph Prausmüller, und die Geschäftsführerin des Bayerischen Pilgerbüros, Irmgard Jehle, erzählen, was Pilgern so attraktiv macht und was Reisende bei ihnen suchen und finden.

 

Diakon Ralph Prausmüller ist Leiter der Münchner Geschäftsstelle Peregrinatio der Erzdiözese München und Freising und davon überzeugt, dass es auf Reisen leichter fallen kann, Gott zu begegnen: „Beim Pilgern steigt man aus seinem Alltag aus, verändert die Perspektive auf das eigene Leben. Man begegnet Menschen, Geschichten, Orten, Landschaften. Man bekommt den Kopf frei für andere Dinge – und da kann auch Gott dabei sein.“

Auch Irmgard Jehle ist überzeugte Pilgerin und seit etlichen Jahren Reiseleiterin für Pilgerreisen auf der ganzen Welt. Seit November 2022 ist sie Geschäftsführerin des Bayerischen Pilgerbüros, das mittlerweile mehrere hundert Gruppenreisen pro Jahr organisiert. Ohne Vorkenntnisse und Konfessionszugehörigkeit können Menschen beim Pilgern Begegnung erleben und einen neuen oder überhaupt einen Zugang zu ihrem Glauben bekommen. Der Jakobsweg ist für Jehle ein typisches Beispiel: „Man geht auf dem Camino, was einfach Weg bedeutet. Ich gehe weg von zu Hause und diese Suchbewegung ist der Anfang, mit und ohne christlichen Hintergrund.“ Das kann ein Gespräch mit Gott möglich machen, das für jeden ganz unterschiedlich aussieht. Für sie sei es immer wieder faszinierend, einen Weg zu gehen, auf dem schon Jahrhunderte vorher Menschen mit den gleichen Anliegen gegangen sind. Und das spüre man selbst dann, wenn man ganz allein in einer Kirche sitze: „Und dann kommt der Moment, an dem ich merke: Das ist was Besonderes, aber jetzt brauche ich jemanden, der mir das deutet, mit dem ich reden kann. Auch wenn ich mich ursprünglich allein auf den Weg gemacht habe.“

Tourismusziele mit geistlicher Betreuung

Eine gut geschulte und kompetente seelsorgerische beziehungsweise geistliche Betreuung gehört daher zu jedem Angebot des Bayerischen Pilgerbüros. Diese sei für manche Reisende auch wichtiger als die Destination, bemerkt Ralph Prausmüller. Durch besondere Reiseziele können Pilgerreisen jedoch auch für Menschen interessant werden, die auf den ersten Blick keinen Bezug zur Kirche haben. Je nach Konzept gibt es begleitende Impulse, Andachten, Gottesdienste – oder einfach eine nette, Orientierung ermöglichende Unterhaltung mit den Mitreisenden. Programm und Route werden auf die Zielgruppe abgestimmt.

In Scharen geht es zu großen Tourismuszielen wie zur Rosenkranzbasilika, Lourdes, und es bleibt dennoch ein spirituelles Erlebnis. Foto: Bayerisches Pilgerbüro

Besonders beim Pilgern in überfüllten Städten liegt der Fokus auf dem Innehalten vor dem Besuch, um sich bewusst zu machen, wo man ist, was der Sinn des Ankommens ist. Dabei gehört es auch zu den Kompetenzen einer gut organisierten Pilgerreise, Orte aufzuzeigen, die trotz großen Menschenandrangs Momente der inneren Ruhe erlauben. Denn bei Reisen nach Zypern, Prag, Mexiko oder Rom besucht man touristische Reiseziele – aber mit einer anderen, einer inneren Qualität, die man herstellen können muss und die eine Pilgerreise von einer Stadtbesichtigung unterscheidet, so Jehle. „Es ist klar, dass es in Sankt Peter in Rom nicht besinnlich sein kann, wenn ich tagsüber komme, aber ich kann zum Abschluss zum Beispiel zum Campo Santo gehen und dort in der Stille dieses deutschen Friedhofs innehalten. Ich kann solche Orte finden, ich muss sie nur wissen.“

Mehr als Wellness und Coaching

Anders, als es das mittelalterliche Bild des Bußpilgers darstellt, wird beim Pilgern heute die Gemeinschaft großgeschrieben, betont Jehle. Für sie haben besonders die gemeinsamen Mahlzeiten eine Bedeutung: „Man sitzt zusammen, überdenkt den Tag, ist fröhlich miteinander. Das ist etwas ganz Wichtiges. Christ sein kann ich nicht allein. Das ist Egoismus.“ Natürlich versprechen auch andere Angebote von Coaching-Wochenende bis Yoga-Retreat den Teilnehmenden Entschleunigung, Besinnlichkeit und Gemeinschaft. Irmgard Jehle und Ralph Prausmüller sind sich aber einig, dass sie als Reiseveranstalter klar auf dem Boden der christlichen Kirche stehen. „Wir sind kein Supermarkt, wo man sich ein bisschen Buddhismus, ein bisschen Esoterik oder ein bisschen Wellness einkaufen kann. Wir richten unsere Suche auf Jesus aus.“

Damit das möglich ist, fangen das Bayerische Pilgerbüro und seine Zweigstellen im Hintergrund alle rechtlichen und organisatorischen Dinge ab, die die Teilnehmenden bei ihrer spirituellen Erfahrung stören könnten. Hierbei unterstützt Peregrinatio auch Pfarrgemeinden, die pastoralinterne Reisen veranstalten wollen. Es vermittelt zwischen den Gemeinden und dem Bayerischen Pilgerbüro, das sich als Reiseveranstalter um reiserechtliche und versicherungstechnische Belange kümmert. So kann die einzelne Pfarrgemeinde sich ganz auf sich und die pastoralen Inhalte der Pilgerfahrt konzentrieren. Darin sieht Irmgard Jehle eine große Chance, denn die Gemeinden werden immer größer und eine Pilgerfahrt kann wieder ein gemeinsames Zentrum für den Glauben schaffen, abseits von Zeitdruck. Sie versteht die Kirche nicht als „sitzende Kirche“, sondern als Kirche, die sich nur dann erneuern kann, wenn sie sich bewegt. „Beim Pilgern kann man Kirche erleben und zusammen feiern. Dieses Feiern ist schön, ich muss dabei nicht meinen Glauben problematisieren, ich muss mich nicht rechtfertigen, sondern man ist miteinander unterwegs und kann sich gegenseitig stützen.“

Die Pilgerumgebung als Bibel

Und das, obwohl die Gruppen durchaus heterogen sein können. Oftmals haben sie die Größenordnung von 20 bis 40 Personen, bei großen Sonderfahrten aber auch gerne mehrere Hundert oder Tausend, wie bei der Ministrantenwallfahrt nach Rom. Und auch wenn bei den Buspilgerreisen Personen über 50 Jahre am häufigsten vertreten sind, finden sich gerade unter den Fußpilgern auch jüngere Menschen, besonders in den sogenannten Lebenswenden: nach dem Schulabschluss, nach dem Studium, vor dem ersten Kind, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Hier kann Pilgern bei ganz konkreten Fragen und Problemstellungen helfen, die sich hoffentlich im Laufe des Weges lösen oder zumindest sortieren. Eine Ordensfrau habe dazu am Anfang auch die Bibel dabeigehabt, sie aber nach ein paar Tagen nach Hause zurückgeschickt. Sie habe gespürt, dass auf Pilgerschaft die ganze Umgebung Bibel sei. Sie brauchte nichts Schriftliches mehr, sie konnte es direkt erfahren, der Weg gab es ihr.

 

Ökologisch nachhaltig reisen

Und umgekehrt sollten auch die Pilger und Reiseorganisationen den Menschen auf dem Weg etwas geben, findet Irmgard Jehle: „Da haben wir als Organisatoren eine Verantwortung für die, die für uns arbeiten. Ökologische Nachhaltigkeit ist für uns sehr wichtig, aber auch: Wer arbeitet in den Hotels und zu welchen Bedingungen?“ Man könne sehr bewusst reisen und viele umweltschädliche Dinge vermeiden. „Und die andere Seite ist: Was ist, wenn wir nicht mehr reisen, nicht mehr pilgern? Was macht das mit den Menschen?“

Außerdem bietet der Fachbereich Pilgern und Wallfahrt des Ordinariats München für alle, die nicht so weit reisen können oder wollen, ein spirituelles Angebot auf den Pilgerwegen im Münchner Umland an.

 


Verfasst von:

Sarah Weiß

Freie Autorin