Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2024

Schwerpunkt

Mehr denn je von Gott getragen

Regelmäßig bietet der Malteser Hilfsdienst in Würzburg Pilgerreisen für Menschen mit Handicap an. Im Oktober 2022 ging es nach Rom. Foto: Christina Gold

Menschen mit und ohne Handicap

Immer wieder muss sich Erika Edelmann die Bilder von der Romwallfahrt im Oktober 2022 auf ihrem PC anschauen. „Der Papst hatte mir die Hand gegeben“, schwärmt die 79-Jährige. Das sei ein unbeschreibliches Gefühl gewesen: „Einfach Gänsehautfeeling!“ Dass sie so etwas noch einmal erleben würde, hätte die Seniorin aus dem unterfränkischen Werneck niemals gedacht. Seit ein paar Jahren nämlich geht es ihr schlecht. Inzwischen sitzt sie wegen Rheuma und Arthrose im Rollstuhl.

Es war das allererste Mal im Herbst 2022, dass Erika Edelmann zu einer Pilgerreise aufbrach. Zu verdanken hatte sie dies dem Malteser Hilfsdienst in Würzburg, der alle zwei bis drei Jahre eine Pilgerreise für Menschen mit Handicap anbietet. 

Die Romwallfahrt im Oktober 2022 war für die chronisch kranke Erika Edelmann aus Werneck ein unvergessliches Erlebnis. Foto: Christina Gold

Etwas skeptisch ließ sich die Rollstuhlfahrerin auf das Abenteuer ein. Und war begeistert. „Ich wurde wegen meiner Behinderung nicht bemitleidet, sondern im Gegenteil aufgemuntert“, sagt die Seniorin, die nicht nur in ihrer Mobilität beeinträchtigt ist, sondern auch an einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) sowie an einer Hörbehinderung leidet. Dank eines Cochlea-Implantats bekommt sie dennoch fast alles mit, was gesprochen wird.

Die Pilgerreise nach Rom mit den Maltesern habe sie in ihrem Glauben bestärkt, sagt Erika Edelmann. Trotz der Schicksalsschläge, die sie krank gemacht haben, weiß sie sich mehr denn je von Gott getragen. Die Werneckerin ist auch überzeugt, dass sie, die sich am letzten Tag der Pilgerfahrt eine Corona-Infektion eingefangen hatte, glimpflich davongekommen war, weil ihr Gott beistand. „Wegen meines COPD hätte das schlimm ausgehen können.“ Bei der nächsten Pilgerreise für behinderte Menschen wolle sie wieder mit von der Partie sein.

Über die Beamtenlaufbahn nach Altötting

Alljährlich am Pfingstwochenende nach Altötting zu pilgern, ist eine Ehrensache für Florian Robida. Der 48-Jährige aus der Pfarrei St. Johannes der Täufer in Glonn im oberbayerischen Landkreis Ebersberg macht das quasi schon sein ganzes Leben. Mit zehn Jahren nahm ihn sein Vater zum ersten Mal auf eine Pilgerfahrt mit: „Er hatte gesagt, wenn er die Prüfung zur höheren Beamtenlaufbahn schafft, geht er nach Altötting.“ Heute ist der Kreisjugendamtsleiter von Ebersberg Vorsitzender des 2022 gegründeten Vereins „Pfingstwallfahrt Altötting“.

Nach 80 Kilometern Fußball spielen

Bis zu 3.000 Gläubige nehmen derzeit in verschiedenen Gruppen an der Sternwallfahrt teil. Viel hat Florian Robida dabei schon erlebt. „Einmal zum Beispiel hat es so wahnsinnig geregnet, dass wir die Fahne überhaupt nicht mehr halten konnten“, erinnert er sich.

Unvergesslich bleiben ihm seine Pilgererlebnisse in einer früheren Münchner Jugendgruppe. Am Ende des zweiten Tags gab es stets ein Freundschaftsspiel gegen die Pfarrjugend in Taufkirchen. „Wir verloren immer sehr hoch, nachdem wir schon 80 Kilometer gegangen waren“, lacht der Katholik. Da sei nicht schlimm gewesen: „Wir fanden das witzig, später hockten wir uns zusammen und grillten.“

Eine andere Pilgerreise unternahm er mit gebrochenem Sprunggelenk: „Da war ich mit einem medizinischen Schuh unterwegs.“ Diese Pilgerreise konnte er nicht komplett mitmachen. Aber immerhin: Er war trotz Handicap dabei.

Florian Robida ist verheiratet und hat drei Kinder. Die jüngste ist zwölf, der älteste 18. Alle gehen nach Altötting mit: „Das ist sozusagen unser Pflichtprogramm.“ Wobei das mit der „Pflicht“ nicht allzu wörtlich zu nehmen ist. Dem Jugendamtsleiter zufolge würde allen ohne die Pilgerfahrt etwas fehlen. Zusammen mit Dutzenden von Menschen, die sich im Glauben verbunden wissen, „zum katholischen Herzen Bayerns“ zu gehen, hat für ihn selbst eine tiefe symbolische Bedeutung.

Lange Strecken zu Fuß zu laufen, dazu sind viele Menschen heute viel zu bequem. Pilger allerdings legen weite Distanzen zurück. Etwa 100 Kilometer pilgert Florian Robida alljährlich an drei Tagen nach Altötting. Das könne an die Grenzen bringen: „Doch in der Gruppe geht es ganz gut.“

Was alles belastet

Ganz unterschiedliche Pilgererfahrungen macht Pia Beckmann. „Seit mehr als 20 Jahren laufe ich mit mehreren Hundert Menschen die 180 Kilometer lange Strecke von Würzburg zum Kreuzberg in der Rhön und zurück“, berichtet die ehemalige Würzburger Oberbürgermeisterin. Das sei für sie von großer religiöser Bedeutung: „Ich trage alles hinauf, was die Menschen in meinem Umfeld und auch mich belastet, und vertraue alles jemandem an, der größer ist als wir.“

Oft pilgert Pia Beckmann aber auch alleine mit ihrem Mann. „Die Eigenheiten des Weges und des Pilgerorts gemeinsam zu erspüren, still zu werden in der Hektik des Alltags und den Wirren unseres unfriedlicher gewordenen Lebens, kennzeichnet diese Wege“, sagt sie. Stets kehre sie „glücklich und lebensfroh“ zurück.

Im August 2023 leistete das Ehepaar Beckmann eine Woche lang Pilgerdienst in Mecklenburg-Vorpommern. „Wir standen täglich sechs Stunden für Führungen durch die Kirche, meditative Einheiten, Gespräche und Fragen zur Verfügung“, berichtet Pia Beckmann. Menschen unterschiedlicher Nation und unterschiedlichen Glaubens seien gekommen – auch Atheisten: „Mit einigen wälzten wir ernste Lebensfragen.“ Die Woche zeigte, „wie viel einfacher das Leben wäre, würden wir uns alle mit mehr Interesse füreinander, mit Zugewandtheit und Mitmenschlichkeit begegnen“.

 

Gebet in Flaschen

Leidenschaftliche Pilger sammeln Pilgerstempel aus aller Herren Länder ein. Foto: Pat Christ

Dass auch junge Menschen noch fürs Pilgern zu begeistern sind, davon berichtet Korbinian Müller, Jugendseelsorger für die Diözese Eichstätt. 2023 organisierte der 39-Jährige anlässlich des Weltjugendtags eine Pilgerreise nach Lissabon, an der fast 80 junge Leute teilnahmen. Besonders bewegend war ein Moment am Strand: Die Jugendlichen schrieben Träume und Hoffnungen auf Zettel, steckten sie in Flaschen und warfen sie unter Gesängen und Gebeten ins Meer. Nächstes Jahr möchte Korbinian Müller mit einem Bus voller Jugendlicher nach England fahren, um auf den Spuren des heiligen Willibald zu wandeln.

Korbinian Müller selbst pilgert seit 25 Jahren. Außergewöhnlich war für ihn 2018 eine Pilgerreise ins Heilige Land. Diese unternahm er mit den Regensburger Domspatzen. Der Diözesanjugendseelsorger erinnert sich an eine eindrückliche Andacht in der Grabeskirche und eine Gedenkveranstaltung auf dem Gelände von Yad Vashem.

Wo Fischerboote langsam vorbeiziehen

Johannes Zang aus Goldbach bei Aschaffenburg ist seit jeher ein Israel-Fan. Um die 70 Mal pilgerte er bereits ins Heilige Land. Bis zum Ausbruch der Corona-Krise tat der Theologe und Orgellehrer das bis zu fünf Mal jährlich als Reiseleiter. Doch so oft er auch schon in Israel war: Eine Heilige Städte gibt es, bei deren Besuch der 59-Jährige jedes Mal wieder eine Gänsehaut bekommt. „Und zwar in Tabgha am Nordufer des Sees Genezareth“, erzählt er.

Der Ort wird seit 100 Jahren von deutschen Benediktinern betreut. Die von Johannes Zang geleiteten Pilgergruppen feiern direkt am Seeufer Heilige Messe. Man sitzt auf Baumstämmen. Darüber spannt sich ein Palmendach. Man schaut auf den steinernen Altar inmitten der Natur. Und blickt dahinter auf den See Genezareth, wo Fischerboote langsam vorbeiziehen. Johannes Zang: „Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen dass Jesus hier vor 2.000 Jahren unterwegs war.“


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin