Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2024

Ökumene

Ein Ziel, aber kein Ort mehr

Die Stadtteilbücherei ist ein wichtiger Ort für die raumlose „Kirche am Hubland“ (von links): Elisabeth Wöhrle, Stine Hassing, Burkhard Hose und Susanne Wildfeuer. Foto: Pat Christ

Das ökumenische Projekt „Kirche am Hubland“ wandert von Raum zu Raum

Wurde früher ein neuer Stadtteil von A bis Z geplant, war eines sicher: Im Zentrum würde eine Kirche stehen. Heute bilden Shopping-Center den Mittelpunkt. Kirchen gibt es nicht mal mehr am Rand. So ist das auch im neuen Würzburger Quartier Hubland. „Wir sind Kirche ohne Raum“, sagt Pfarrer Burkhard Hose von der ökumenischen Initiative „Kirche am Hubland“. Statt in einer Kirche, trifft man sich zum Beispiel in der Stadteilbücherei.

Räume können sowohl eine Bereicherung als auch eine Behinderung sein. Gut an Räumen ist, dass man alles sofort griffbereit hat, sagt Burkhard Hoses evangelische Kollegin Susanne Wildfeuer. Plant die Gruppe etwas auf dem Hubland in Würzburg, muss alles mit hinauf in den Stadtteil geschleppt werden. Auf der anderen Seite erleichtert die Raumlosigkeit die Arbeit. Niemand muss sich um den Unterhalt kümmern. Niemand putzen. Wie ist es, raumlos Kirche zu sein? „Vielleicht lernen wir durch das Projekt gerade, wie wichtig es ist, einen Raum zu haben“, meint Burkhard Hose.

Nicht primär ein kirchliches Event

Ein weiteres Charaktermerkmal gerade in Bezug auf die katholische Kirche fehlt oben auf dem Hubland ganz und gar. „Normalerweise haben wir einen bestimmten religiösen Anspruch, doch der spielt auf dem Hubland kaum eine Rolle“, sagt Burkhard Hose. Rund 3.000 Menschen leben bisher im neuen Stadtteil. Sie kommen gerne, wenn Stine Hassing, evangelische Mitarbeiterin des ökumenischen Projekts, zweimal im Monat zum Erzähltheater einlädt. Oder wenn die Katholische Hochschulgemeinde (KHG), wo Burkhard Hose Pfarrer ist, einen Poetry-Abend anbietet. Doch beides wird als etwas „ganz Normales“, wird nicht primär als kirchliches Event erlebt. Es würde, so das ökumenische Team, ein dicker Fehler sein, würde das Kirchliche der Angebote plakativ hervorgehoben. Das könnte Türen zuschlagen.

Selbstverständlich kann man verschiedener Auffassung sein über den „Geist“ der neuen „Kirche“. Fakt ist: Das Konzept ging bisher auf. Die neue Initiative stößt auf Resonanz. Es lohnt sich also, unorthodoxe Methoden anzuwenden, um wieder als Kirche attraktiv zu sein. Im Übrigen gibt es nicht ausschließlich kulturelle und soziale Angebote. „Letztes Jahr organisierten wir einen Martinszug“, berichtet Susanne Wildfeuer. Das Team war äußerst gespannt, ob jemand kommen würde. Siehe da: „Es kamen 200 Menschen.“

Wie Kirche künftig aussehen könnte

Die „Kirche am Hubland“ verstehe sich daher als „Experimentierfeld“. Was kann dort entstehen, wo es keine echte Filialgemeinde mehr gibt? „Wir probieren letztlich aus, wie Kirche künftig aussehen könnte“, sagt Elisabeth Wöhrle. Stellten sich Strukturen als nicht mehr tragfähig heraus, müssten sie aufgegeben werden.

Statt angesichts des weithin spürbaren Niedergangs der Kirche in fieberhafter Aufregung zu versuchen, vom Alten zu retten, was zu retten ist, macht sich die „Kirche am Hubland“ auf zu neuen Ufern. Möglich allerdings ist dies nur durch die „klassische“ Kirche. So finanziert die Würzburger Diözese bis 2026 Stellenanteile bei der KHG für das Projekt. Die evangelische Kirche fördert die Initiative mit einer MUT-Stelle (MUT steht für „missional“, „unkonventionell“ und „tandem“). Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von Theologen aus Münster und Luzern. 


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin