Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2024

Ökumene

Respekt und Menschenwürde

Der barmherzige Samariter zeigt, es braucht im christlichen Zusammenleben Versöhnung, Heilung von Erinnerungen und eine menschenbejahende Perspektive. Foto: JMP de Nieuweburgh / Adobe sotck

Ökumene, und vor allem die multilaterale, ist ein praktiziertes Plädoyer für ein nicht langweiliges, leidenschaftliches Christentum, das im jeweiligen Anderen nicht den Häretiker, nicht den Feind, nicht die Gefahr, sondern die Chance, das Potenzial, die Gaben, das Ebenbild Gottes, letztendlich Gott selbst sieht.

Die Schwestern und Brüder aus Burkina Faso, die die Texte für den Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit vorbereitet haben, haben sich für das Gleichnis vom barmherzigen Samariter als Lesung aus dem Evangelium entschieden. Meine erste Reaktion, als ich das erfahren habe, war: Wie trivial! Man kann sicherlich unzählige Plattitüden über die Nächstenliebe sagen, aber was hat das überhaupt mit Ökumene zu tun? Diejenigen, die sich allerdings in der Geschichte dieses afrikanischen Landes auskennen, können spüren, dass solche vermeintlichen Banalitäten in einem so stark von Armut und Krieg geplagten Land überlebenswichtige Anliegen zum Ausdruck bringen: Muslime und Christen, auch in Burkina Faso, brauchen dringend Versöhnung, Heilung von Erinnerungen, eine menschenbejahende Perspektive. Letztendlich geht es im Gleichnis vom Samariter um die entschiedene Hinterfragung der Selbstverständlichkeiten, die mit der Spirale von Rivalitäten, Spaltungen und Gewalt verbunden sind. Und genau das gehört zum Kern der ökumenischen Arbeit.

Eine Ökumene der Neugier

Es ist ein großer Segen in meinem Leben, dass ich für die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Bayern arbeite, für das Gremium, das den Dialog von 23 Kirchen und noch drei weiteren mitwirkenden Organisationen auf Bayernebene mitgestaltet und fördert. Langweilig ist die christliche Vielfalt nicht. Die Buntheit, die Vielstimmigkeit bereichern das Leben – genauso wie der Samariter des Gleichnisses, der die Hermeneutik des Verdachts, das Schwarz-Weiß-Denken und die Angst vor dem Fremden überwindet.

Zukunftsweisend ist eine Ökumene der Neugier, der dankbaren Wahrnehmung von Schätzen der jeweiligen christlichen Anderen: statt Frustration wegen der noch nicht erreichten Wunschergebnisse zu erzeugen, ins Gespräch kommen, Entdeckungsfreude spüren, auch die zahlenmäßig kleinen Kirchen über paternalistische Verhaltensmuster hinaus aufmerksamer hören und miteinbeziehen!

 

Die Botschaft ist alles andere als trivial

Die Kirchen dürfen nicht den Eindruck entstehen lassen, dass sie Ökumene aus Hoffnungslosigkeit machen, weil ihnen einfach die Gläubigen davonlaufen. Wir machen Ökumene aus Hoffnung, weil die Basis unserer Hoffnung, der Herr selbst, es so gewollt hat (Joh 17,21). Das Gleichnis vom Samariter entlarvt unsere falschen Hoffnungen, es hinterfragt die Naivität, mit der wir manchmal erwarten, dass die Priester und Leviten unseres Lebens ihrem Auftrag gerecht werden.

Wir leben in Zeiten, in denen mutiges christliche Zeugnis in ökumenischer Verbundenheit erwartet wird; Toleranz, Respekt, Dialog sind ökumenische Imperative. Antisemitismus, Rechtspopulismus, Verschwörungstheorien haben in der Ökumene und im Christentum überhaupt nichts zu suchen. Braune Gespenster der Vergangenheit, zusammen mit neuen, bestens vernetzten Propheten des Hasses, stellen eine Bedrohung dar, die nur die Gesellschaft als Ganzes, gläubige und säkulare Menschen gemeinsam, bekämpfen können. Beten wir und arbeiten wir weiterhin für die Einheit der Christen, für Respekt, Versöhnung, Menschenwürde! Die Botschaft des Samariters – und der Ökumene – ist alles andere als trivial.


Verfasst von:

Georgios Vlantis

Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Bayern