Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2024

Schwerpunkt - Vor Ort

Füße, die beten, spielen auch Fußball

Moderne Pilgerziele haben teils auch sakrale Räume, die abseits der Tribüne Ruhe bieten und Religion und Spiel, Glaubenserfahrung und Fußballleidenschaft miteinander verbinden. Foto: Samira / Adobe stock

Menschen machen sich gezielt auf den Weg. Sie gehen allein oder in Gruppen aus Menschen mit gleicher Gesinnung. Wenn Menschen in Massen zu einem Festival, an eine Rennstrecke, zu einem Billigmarkt beispielsweise gehen, sprechen wir umgangssprachlich von „pilgern“. Kaum jemand von denen, die da auf dem Weg sind, würde von einer religiösen Handlung sprechen, würde sagen, Jakobsweg und Fanmeile haben dasselbe Ziel. Und dennoch: Begriffe sind nicht nur abstrakt benutzt. Sie geben dem Gesagten eine Bildwelt mit, die veranschaulichen soll, was gemeint ist.

Pilgerscharen mit zwei Seiten

In diesem Sommer werden wieder Pilgerstätten der besonderen Art ins Bild gesetzt. Auch eine Fußballeuropameisterschaft inszeniert ein Pilgergeschehen, wenn sich Scharen von Fußballfans aus dem In- und Ausland auf den Weg machen. Ob die UEFA Euro 2024 wieder ein völkerverbindende Sommermärchen wird, bleibt zu hoffen. Viel Kritisches ließe sich sagen zur Vereinnahmung von Sprache und Vorstellungswelten auf säkularer und religiöser Seite gleichermaßen. Die religiöse Pilger- wie die scheinbar säkulare Fußballszene ist nicht gefeit vor Sucht und Fanatismus. Der oft beschriebene Flow, der sich bei den Fortbewegungsarten einstellen kann, schlägt um in ein Nicht-Aufhören-Können. Grenzen, die überschritten werden, sind nicht nur heilsam, sondern bergen die Gefahr des Extremistischen und Gewaltbereiten.

Kirche tut gut daran, hier nicht stehenzubleiben und mit den Fingern auf die zu zeigen, die vermeintlich vom Weg abgekommen sind. Der Glaube mischt sich ein. Er pilgert mit und spurt eine friedliche Spielidee ein, die – wie eine Wanderung auf dem Jakobsweg – auch entbehrungsreich sein kann. Auch wenn die existentielle Betroffenheit nur mittelbar ist: der Pilgerreisende in Sachen Fußball ist tief enttäuscht, wenn am Ziel eine Niederlage wartet. 

Sieg des eigenen Teams ist zweitrangig

Bei der Euro 2024 werden auch christliche Fangruppen unterwegs sein. Sie haben die ausgetretenen Pfade der Weltabgeschiedenheit verlassen und probieren eine neue Gangart aus, die sich einreiht in die vielen Formen des Betens mit den Füßen. Fußballbegeistertes Beten hat nicht zuerst den Sieg des eigenen Teams zum Inhalt. Das Pilgern mit Fanschal und Gesängen zeigt zwar auch, für wen wir unterwegs sind. Aber spielerisch erproben wir eine Gemeinschaft, die in Freud und Leid, in Sieg und Niederlage zusammenhält.

Fußballfans, die sich auf den Weg machen, finden in vier Stadien, in denen Spiele der EURO 2024 ausgetragen werden, besondere Haltepunkte, die auch von der Pilgerbewegung beachtet werden wollen. In Gelsenkirchen, Frankfurt/Main, Leipzig und Berlin gibt es jeweils einen Sakralraum. Diese laden ein, nicht nur – wie das Pilgern allgemein – den Alltag zu unterbrechen. Sie ermöglichen auch, um ein Fußballspiel herum, zur Ruhe zu kommen. Plötzlich bekommt – mitten in der spielerischen Bewegung – das Leben eine besondere Bedeutung und manchmal gerät das Spiel zur Nebensache, das von der göttlichen Hauptsache berührt wird.

Sich-auf-den-Weg-Machen, bei aller Gegnerschaft, dennoch gemeinsam unterwegs sein, miteinander zu erproben, wie Füße auf den Weg des Friedens gerichtet werden können und gesteigerte Emotionen zu empfangen – das zieht auch die in den Bann, die nichts mit Fußball zu tun haben. Sie mögen sich nicht zur sportbegeisterten Pilgerschar zählen, aber sie können ahnen: Religion und Spiel, Glaubenserfahrung und Fußballleidenschaft sind füreinander da und können voneinander lernen.

Weitere Informationen: www.kircheundsport.de und ein spezielles Angebot für „Pilgerreisende“ und „Pilgerherbergen“ in Sachen Fußball: www.host4euro.com .


Verfasst von:

Doris Hiller

EKD-Referentin für Glaube und Dialog, Hannover