Ausgabe: März-April 2024
SchwerpunktPilgern im Trend der Zeit
Pilgern ist etwas Wohltuendes für Leib und Seele in unserer hektischen Zeit. Menschen brechen auf in der Hoffnung, dass der Himmel auf sie schaut und Herzenswünsche in Erfüllung gehen.
Pilgern hat nichts von seiner Faszination eingebüßt. Aktuell meldet der klassische Jakobsweg in Spanien die Rekordzahl von einer halben Million Pilger. Die Pilger kommen aus aller Welt, Frauen haben in der Statistik die Nase vorn. Menschen machen sich aus verschiedensten Beweggründen – von religiöser Überzeugung bis zur Abenteuerlust – auf den strapaziösen Pilgerweg. Pilgern gehört zum modernen Lifestyle.
Andreas Knapp von der Ordensgemeinschaft Kleine Brüder Jesu bringt das in einem geistlichen Text treffend zum Ausdruck:
„wenn es dir zu eng wird
und die zimmerdecke schon auf
die haarspitzen drückt
entsteige dem kleinkarierten
deiner winzigen welt
hinaus hinauf
turmhoch bergan“
Es gibt bedrückende Phasen im Leben, in denen wir dem Alltagstrott entfliehen möchten. Diese Enge nimmt mir die Luft. Nichts wie raus! Ich laufe mich frei von Kummer und Sorgen, gewinne inneren Abstand. Ein neuer Blickwinkel tut Not. Es gibt noch etwas anderes.
„alles engstirnige wandelt
sich in weitblick
rundum erneuernd“
Hier beschreibt Knapp eine Pilgererfahrung, die sich nach längerem Gehen einstellt. Die Alltagssorgen bleiben zurück. Und man sieht Dinge anders. Es entwickeln sich neue Perspektiven.
„du bist über den berg
stehst über den dingen
und dir selbst
jetzt steigt das gipfelgespräch
mit dem höchsten“
(Aus: Andreas Knapp. Beim Anblick eines Grashalms. Naturgedichte, Würzburg 2017, S. 82, leicht gekürzt)
Therapeutische Wirkung
Der Pilger ist zunächst mit sich selbst beschäftigt. Das Verdrängte stellt sich in den Weg und will bearbeitet werden. Der Pilgerweg wirkt wie ein Therapeut. Dem Blick nach innen folgt der Blick nach außen. Das Wunder der Schöpfung wird bewusst und dass ich darin eine Rolle spiele. Eine spirituelle Erfahrung, die mein Dasein in einen größeren Horizont einordnet.
Eine mittelalterliche Karte von Pilgerwegen zeigt das damalige Wegenetz auf dem Kontinent. Es ist nicht erforderlich, den langen Pilgerweg bis Santiago zum vermeintlichen Grab des Apostels Jakobus zurücklegen. Martin Luther wollte das nicht so recht glauben und spottete: „Da liegt ein totes Ross oder ein toter Hund darin!“ Längst haben evangelische Christen das Pilgern für sich entdeckt. Pilgern ist heute eine ökumenische Chance!
Um mit dem Pilgervirus infiziert zu werden, genügen auch kürzere Wegstrecken in der Region. Pilgern beginnt immer an der eigenen Haustür. Viele dieser Etappen werden heute wieder rekonstruiert und ausgeschildert. Es hat seinen besonderen Reiz, in die Fußstapfen mittelalterlicher Pilger zu treten. Die Pilgerstelle Eichstätt bietet dazu mit dem sogenannten Samstagspilgern ein neues Format. An mehreren Samstagen im Jahr sind Pilgergruppen mit einer kompetenten Begleitung unterwegs auf Pilgerwegen in ihrer näheren Umgebung.
Heilige Orte wie Winkel des Himmels
Wie ein Netz… Die Knotenpunkte sind Heilige Orte, die im Rufe der besonderen Aufmerksamkeit Gottes stehen, und deshalb gerne aufgesucht werden. In der Volksfrömmigkeit berühren sich hier Himmel und Erde. Die Votivtafeln geben davon Zeugnis. In den ausgelegten Tagebüchern für die Anliegen spiegelt sich die mühselige und beschwerliche Pilgerschaft auf Erden. Auf wundersame Weise wird hier Menschen in ihren persönlichen Nöten geholfen. Papst Johannes Paul ll. beschrieb einmal „die Gnadenorte als Winkel des Himmels, in denen uns Gott mit seinen Heiligen entgegenkommt“.