Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: September-Oktober 2021

Schwerpunkt

Wunsch oder Problem?

Foto: Zarya Maxim / Adobe stock

Jugendliche im Pfarrgemeinderat

Frägt man Jugendliche und junge Erwachsene nach ihrem Eindruck von der katholischen Kirche, dann erhält man oft ein verstaubtes Bild mit strengen Regeln, Verboten und Entscheidungen an denen es nichts zu rütteln gibt. Dabei kann man die Pfarrgemeinde sehr wohl selbst mitgestalten – durch ein Engagement im Pfarrgemeinderat. Dieses Gremium schreckt aber vor allem junge Menschen mit derselben verstaubten Vorstellung von betagten Gläubigen, die zusammen mit dem Pfarrer das Gemeindeleben bestimmen, ab. Allerdings muss das nicht sein, denn immer häufiger wird der Wunsch geäußert, dass Jugendliche im Pfarrgemeinderat mitwirken sollen. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass die jungen Menschen das auch wollen – wenn man sie nur lässt.

Die Beteiligung von jungen Menschen an der kirchlichen Pfarrgemeinschaft ist äußerst wichtig. Sind sie es doch meist, die neue und frische Ideen mitbringen und mit Hemmnissen wie „das haben wir schon immer so gemacht“ und „das haben wir ja noch nie so gemacht“ brechen. Nur so können auch Fortschritt und Verbesserung entstehen. Die Ideen und das Engagement sind bereits vorhanden, nun ist die Frage, ob ihnen auch Gehör geschenkt wird. Bei der Pfarrgemeinderatswahl ist die Euphorie in der Gemeinde, dass junge Menschen auf der Wahlliste stehen, oft groß und so werden sie auch meist in das Gremium gewählt. Leider sind Jugendliche im Pfarrgemeinderat trotzdem in fast allen Gemeinden unterrepräsentiert. Wenn, dann findet man ein oder zwei Jugendliche in einem zehn oder 15 Personen starken Pfarrgemeinderat, in welchem der Pfarrer oft noch ein enormes Meinungsgewicht innehat. Das macht es für junge Menschen häufig schwer, die Interessen der eigenen Altersgruppe durchzusetzen und die Lust an der Mitgestaltung nicht zu verlieren. Deshalb müssen die Ideen und Vorschläge der Jugendlichen ernst genommen werden und vor allem ernsthaft und breit diskutiert werden. Nur im gemeinsamen Austausch miteinander kann ein für alle Entscheidungsträger passender Konsens gefunden werden. Schließlich sollte es das Ziel der Kirche sein, die jungen Gläubigen wieder stärker in die Gemeinschaft einzubinden – immerhin sind sie die nächste Generation, welche die Pfarrgemeinschaft in Zukunft weiterführen wird.

Ideen ernst nehmen

Viel zu oft wird dabei auch die Lust auf Beteiligung von Jugendgruppen bei Gottesdiensten, Pfarrfesten, kirchlichen Hochfesten gehemmt. Wenn es der Wunsch der Jugendlichen ist, warum soll man dann nicht auch mal rockigere Musik im Jugendgottesdienst spielen, einen extravaganten Erntedankaltar aus Superfoods gestalten, eine Wallfahrt mit Motorrädern organisieren, einen Gottesdienst nach den Vorstellungen der jungen Menschen abhalten? Warum holt man die Jugendlichen nicht da ab, wo sie stehen, und bringt ihnen das Wort Gottes auch mal in ihrer Jugendsprache und über die von ihnen genutzten Kanäle näher? Warum beweist man Jugendlichen nicht auch einmal entgegengebrachtes Vertrauen und lässt sie selbstständig Teile des Pfarreilebens gestalten, auch wenn es dann nicht nach bekanntem Schema F abläuft? Warum zeigt man jungen Gläubigen nicht, dass sie ein wichtiger Bestandteil der Pfarreigemeinschaft sind und lässt ihnen einfach mal freie Hand, sondern zeigt von vornherein Grenzen auf? Warum kann nicht die Kirche auf die Jugendlichen zugehen, anstatt dasselbe von ihnen zu verlangen? Dies stellt nur eine Handvoll Themen dar, welche es oft nicht mal in den Pfarrgemeinderat schaffen oder von vorne herein mit einem Federstrich weggewischt und nicht mal diskutiert werden. Aber genau dort muss man ansetzen, genau dort, wo die Diskussion ab und zu unangenehm wird, wo die Grundätze der Pfarrgemeinschaft hinterfragt werden und man alte Gewohnheiten ablegen oder zumindest überdenken muss.

Echtes Miteinander

Es werden auch Entscheidungen über die Köpfe der jungen Generation hinweg bei genau den für sie wichtigen Themen getroffen. Sei es bei der Umgestaltung der Kirche oder der Sanierung eines Pfarrheims. Hier haben Jugendliche durchaus eine eigene Meinung und Vorstellung und wollen diese einbringen, anstatt der vorgeschlagenen Vorlage ohne Partizipation immer gleich zuzustimmen. Logischerweise haben Jugendliche dabei auch andere Prioritäten, welche allerdings Berücksichtigung finden sollen und auch müssen. Genau hier sollten sie gefragt und beteiligt werden. Nur wenn die Jugendlichen ihre eigenen Ideen mit einbringen können und diese auch verwirklicht werden, fühlen sie sich als Teil der Kirche. So wird eine echte Identifikation mit der Glaubensgemeinschaft geschaffen. Wichtig dabei ist auch ein selbstbestimmter Rückzugsort, an dem die Jugendlichen auch mal ohne die Belehrungen von Erwachsenen unter sich kirchliche Themen diskutieren und Meinungen bilden können. Eine von Anfang an vorgegebene Denkweise oder Entscheidungsrichtung ist dabei kontraproduktiv.

Die richtige Form?

Bleibt die Frage, ob der Pfarrgemeinderat überhaupt noch die richtige und zukunftsfähige Organisationsform in den Pfarrgemeinden ist. Die Grundaufgabe stellt dabei die möglichst lebendige Gestaltung der Gemeinde dar. Dies ist in der aktuellen Form gut möglich, solange die Besetzung auch die Pfarrgemeinde vor allem hinsichtlich der Altersstruktur widerspiegelt. Die Gremiensitzungen selbst sollten dabei allerdings noch ergebnisoffener abgehalten werden. Weiterhin ist die Gleichberechtigung aller Mitglieder sicherzustellen. Dabei sollte der/die Vorsitzende genauso viel Stimmengewicht erhalten wie der Pfarrer oder jedes einzelne Pfarrgemeinderatsmitglied. Ein Vetorecht Einzelner gegen eine Entscheidung zeigt sich ebenfalls als negativ. Nur so wird erreicht, dass Meinungen offen kommuniziert und Vorschläge ohne Unsicherheit vor den Reaktionen der Kollegen und Kolleginnen eingebracht werden. Eine unmittelbare Ablehnungshaltung gegenüber neuen Ideen mindert dabei auch die weitere Bereitschaft der Mitgestaltung und sollte durch eine konstruktive Diskussion ersetzt werden.

„Junge Leute im Pfarrgemeinderat? – Ja bitte, aber nur, wenn sie nichts verändern wollen“, das entspricht weder dem Sinn noch dem Ziel eines funktionierenden Pfarrgemeinderats. Junge Menschen sollten dazu aufgefordert werden, die Stimme der Jugend zu erheben und sie in das Gremium einzubringen. Nur dadurch werden wir es schaffen, den Pfarrgemeinderat und letztendlich auch die Kirche zu „entstauben“ und zukunftsfähig zu machen. Daher ergeht ein Appell an die Pfarrgemeinden in Bayern, den jungen und frischen Ideen aufgeschlossen gegenüberzustehen, auch mal über den eignen Tellerrand zu blicken und nicht die Jugend verändern zu wollen, sondern die Jugend die Pfarrei verändern zu lassen.


Verfasst von:

Thomas Kuntscher

KLJB Bayern