Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Januar-Februar 2022

Meditation

»Mein Haus, mein Auto, mein Boot.«

Foto: KNA-Bild

Wie in der legendären Werbung einer Finanzgruppe, so sind wir Menschen immer wieder versucht, einander nach den äußeren Schichten unseres Daseins zu beurteilen, nach Körper, Kleidung und zuletzt auch den Häusern, in denen wir wohnen. Ob man in der Badstraße oder in der Schlossallee, im Flüchtlingscamp oder unter einem Brückenbogen sein Zuhause – seine Wohnung – hat, entscheidet leider viel zu häufig nicht nur über die Entwicklung eines Menschen, sondern auch darüber, wie wir über einen Menschen denken.

Wie denken wir über Gott? Wie beeinflussen die Wohnungen, die wir ihm zuweisen unser Gottesbild? Wo »wohnt« Gott überhaupt?

Wohnt er im Himmel des Kinderglaubens oder im neuen Himmel, von dem uns die Offenbarung des Johannes kündet? Ist er in »unzugänglichem Licht« (1 Tim 6, 16), scheinbar unerreichbar für uns Menschen, zugleich aber auch allgegenwärtig?

Wohnt Gott in der Natur, der Umwelt, der ganzen Schöpfung? Verankert er die »Balken seiner Wohnung im Wasser«, nimmt sich die Wolken zum Wagen und fährt einher auf den Flügeln des Windes (Ps 104)? Sind wir Menschen dabei, diese Wohnung Gottes zu zerstören durch die Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen?

Wohnt Gott in den Kirchen, die wir als seine Häuser – Gotteshäuser – bezeichnen? Macht es einen Unterschied, wenn im Ritus der Weihe einer Kirche diese so gut wie nie als »Haus Gottes« bezeichnet wird, dafür aber als »Haus des Herrn« (bezogen auf Christus), »Haus der Gemeinde« und »Haus des Gebetes«? Haben wir Gott seiner Wohnung beraubt?

Wohnt Gott in den Menschen, in ihren Herzen, im Nächsten oder im Anderen? Respektieren wir die Unverletzlichkeit dieser Wohnung, wenn wir Menschen nach ihrer Hautfarbe und Geschlecht, nach ihrer sexuellen Orientierung und vielen anderen Kategorien unterscheiden, ihnen Lasten aufbürden, ihnen womöglich den Segen verweigern?

Die jüdische Tradition kennt neben dem Eigennamen Gottes – JHWH – noch weitere Gottesbenennungen, eine bezeichnet Gott als māqōm – hebräisch für »Ort«. Diese Benennung führt über unsere gedanklichen Grenzen hinaus, auch über die von uns als besondere Orte der Gegenwart Gottes bezeichneten Kirchen, die Menschen, die Natur oder den Himmel: Gott ist allerorten erfahrbar, weil er als māqōm allerorten ansprechbar ist: Allen Versuchen, Gott zu verorten, ist er damit weit voraus.

Bei Gott/māqōm finden alle Zuflucht, gerade auch die, die keine Wohnung haben, die Heimatlosen und Hoffnungslosen, sie alle dürfen sich im Gottesraum geborgen wissen. Auch das, was in unseren Vorstellungen oder Schubladen keinen Platz findet, bei Gott/māqōm hat es einen Ort.

Und selbst, wenn wir Menschen Gott keinen Raum in unserer Herberge anbieten (Lk 2), ihn in seinem Eigentum nicht aufnehmen (Joh 1) und er scheinbar aus der Welt verdrängt wird: Gott/māqōm ist »Wohnung von Geschlecht zu Geschlecht« (Ps 90) – für uns und die Welt.


Verfasst von:

Hagen Horoba

Leiter des Informations- und Besucherzentrums DOMPLATZ 5 in Regenburg