Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: März-April 2022

Schwerpunkt

Von einsam zu gemeinsam

Durch Gemeinschaftsangebote der Einsamkeit entgegenwirken

Gemeinde lebt von Gemeinschaft. Aber was passiert, wenn die Möglichkeiten, diese durch das physische Zusammenkommen zu erfahren, eingeschränkt werden? Aufgrund der coronabedingten Kontaktbeschränkungen kam das öffentlich-soziale Leben zwischenzeitlich zum Erliegen und auch viele kirchliche und karitative Angebote mussten ausfallen. Nach wie vor ist Gemeinschaft für viele nur begrenzt erlebbar. Das Gefühl der Einsamkeit hat sich in den vergangenen Jahren in der Gesellschaft deutlich ausgebreitet und so hat auch die öffentliche Aufmerksamkeit für dieses Phänomen in Gesellschaft und Politik zugenommen.

Einsamkeit beschreibt das subjektiv wahrgenommene, unangenehme Gefühl, dass die eigenen sozialen Beziehungen und Kontakte in Häufigkeit oder Intensität die persönlichen Bedürfnisse nicht erfüllen. Damit wird Einsamkeit von Mensch zu Mensch unterschiedlich wahrgenommen. In Abgrenzung dazu handelt es sich bei sozialer Isolation um ein objektiv wahrnehmbares Ausbleiben von sozialen Kontakten. Dies kann Einsamkeit begünstigen, wird aber nicht immer als ein negativer Zustand wahrgenommen, besonders wenn dieser frei gewählt ist. Beispiele hierfür wären etwa ein Ausflug allein in die Natur oder eine Auszeit im Kloster.

Im Laufe der Corona-Pandemie hat Einsamkeit in allen Bevölkerungsgruppen deutlich zugenommen. Während im Jahr 2017 etwa zehn Prozent der Deutschen häufig das Gefühl hatten, die Gesellschaft anderer fehle ihnen, hat sich seitdem die Betroffenheit von Einsamkeit im Zuge von Corona insgesamt etwa verdoppelt.

Einsamkeit trifft nicht nur Ältere

Bislang wurde Einsamkeit zumeist mit einem höheren Lebensalter in Verbindung gebracht und Studienergebnisse belegen, dass Einsamkeit etwa ab dem 80. Lebensjahr stark und kontinuierlich ansteigt. Doch diverse Untersuchungen während der Corona-Pandemie ergaben, dass im Vergleich der Altersgruppen auch Jugendliche und junge Erwachsene häufig an Einsamkeit leiden. Begründet wird dies unter anderem mit dem ausgeprägten Kontaktbedürfnis junger Menschen und mit einer Abnahme tiefgreifender persönlicher Beziehungen im digitalen Zeitalter. Unabhängig vom Alter sind es schließlich bestimmte Lebenssituation wie das Alleinleben, Krankheit und Armut, die Einsamkeit begünstigen. Hochaltrige und vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Pflegebedürftige oder Menschen mit Behinderungen sind häufig aufgrund von eingeschränkter Mobilität und einem begrenzten Zugang zu Sozialräumen betroffen. Im hohen Alter versterben außerdem vermehrt Lebenspartnerinnen und -partner sowie Freunde. Aus Sicht der Wissenschaft besteht auch ein Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Einsamkeitsempfindens und dem Beginn neuer Lebensphasen, wie Elternschaft und Renteneintritt.

Insbesondere aufgrund der gesundheitlichen Auswirkungen muss Einsamkeit als Problem erkannt werden. Psychische Krankheiten wie Depressionen, Angst- und Essstörungen sowie Suchterkrankungen wie Alkoholismus werden durch Einsamkeit begünstigt. Auf physischer Ebene erhöht Einsamkeit unter anderem das Risiko von Demenz, Alzheimer, Herz-Kreislauferkrankungen, eines Schlaganfalls oder einen Herzinfarkt zu erleiden. Im Vergleich zum Einsamkeitsgefühl, das vorübergehend bzw. kurzfristig situationsbezogen auftritt, ist insbesondere die chronische Einsamkeit, die Betroffene nicht mehr eigenständig überwinden können, gesundheitsgefährdend. Daneben stellt Einsamkeit auch eine Herausforderung für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt dar, weil sich Betroffene häufig von der Außenwelt abschotten und anfälliger werden für radikale Strömungen.

Das Tabu brechen

Schließlich lassen verschiedene gesellschaftliche Megatrends darauf schließen, dass Einsamkeit ohne effektive Gegenmaßnahmen auch zukünftig verbreitet sein wird. Die Urbanisierung führt zu einem Abbau von Infrastruktur im ländlichen Raum. Daneben haben immer weniger Menschen eine Partnerin, einen Partner oder Kinder. Auch der Demographische Wandel trägt dazu bei, dass perspektivisch immer mehr Menschen Mobilitätsschwierigkeiten und ein sich verkleinerndes soziales Umfeld haben werden. Letztlich war Einsamkeit schon vor Corona verbreitet, wird aber erst seit kurzem als ernstzunehmende Herausforderung wahrgenommen. Ein Grund dafür liegt darin, dass Einsamkeit bislang häufig als Privatproblem und Tabuthema galt und oft noch gilt. Einerseits herrscht vielfach Unwissenheit, andererseits trauen sich viele Betroffene nicht, über das Thema zu sprechen. Damit einhergehend ist die Enttabuisierung von Einsamkeit und mehr Offenheit für das Thema im öffentlichen Diskurs von großer Bedeutung. Dazu hat die Aktion „Jetzt Hoffnung schenken“ des Katholischen Medienhauses in Zusammenarbeit mit Bistümern, Hilfswerken, Orden und Verbänden bereits einen wichtigen Beitrag geleistet. Im Rahmen der Initiative, die im Dezember 2021 mit einem Weihnachtsspot eingeleitet wurde, wird über die Homepage katholisch.de und Social Media-Plattformen auf die Verbreitung von Einsamkeit in der Gesellschaft sowie auf Seelsorge-Angebote aufmerksam gemacht. Außerdem werden Ratschläge gegen Einsamkeit sowie hoffnungsspendende Geschichten geteilt und Impulse zum Engagement gegen Vereinsamung gegeben. Ebenso wird auf deutschlandweite Projekte hingewiesen und damit auch die Vernetzung von Akteurinnen und Akteuren zur Einsamkeitsbewältigung unterstützt. An diese Kampagne könnte durch kirchliche Projekte und Angebote vor Ort angeknüpft werden.

Best-Practice-Beispiele

Neben der Enttabuisierung leisten Texte, Radiobeiträge und Videos, die das öffentliche Bewusstsein für die gesamtgesellschaftliche Herausforderung schärfen, ebenso wie Aktionen, die zu individuellen Gesten der Nächstenliebe aufrufen, einen wichtigen Beitrag zur kollektiven Bewältigung von Einsamkeit. Auf individueller Ebene können Korrespondenzprojekte wie Brief- und Postkartenaktionen hilfreich sein. Nicht zuletzt spielt die kirchliche Telefonseelsorge, insbesondere in Zeiten von Kontaktbeschränkungen, eine wichtige Rolle dabei, um einsamen Menschen konkret zu helfen.

Daneben sind persönliche Begegnungen und Gemeinschaft – das, was das Gemeindeleben im Kern ausmacht – als wirkungsvolles Mittel gegen Einsamkeit in allen Altersgruppen nicht wegzudenken. Deshalb sind die Stärkung von (coronakonformen) Besuchsdiensten und die Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten im kirchlichen Kontext, in Pandemiezeiten beispielsweise in Form von Waldandachten oder Pilgergottesdiensten, bedeutsam. Es haben sich vielerorts bereits verschiedene Projekte bewährt, die als Inspiration dienen können.

In Paderborn haben sich sieben Caritas-Fachverbände im Gemeinschaftsprojekt „7 gegen Einsamkeit“ zusammengeschlossen, um ehrenamtliches Engagement gegen Einsamkeit zu fördern und für das Thema zu sensibilisieren. Im außerkirchlichen Kontext vermittelt der Münchener Verein „Freunde alter Menschen“ Besuchs- und Spazierpatenschaften zwischen älteren Menschen und jungen Freiwilligen. In Baden-Württemberg setzt sich beispielsweise das Netzwerk „Mannheim gegen Einsamkeit“ für die Wiedereingliederung von einsamen, älteren Menschen in die Gesellschaft ein. Dabei agieren Beschäftigte in Gesundheitsberufen als Schnittstellenakteure und machen Betroffene auf das Angebot aufmerksam. Bei vorliegendem Einverständnis suchen ausgebildete ehrenamtliche Paten zusammen mit den Einsamen einen Ausweg. Oft geschieht das dadurch, dass sich die einsamen älteren Menschen gesellschaftlich engagieren, zum Beispiel als „Vorlese-Omi“ in einer Kita.

Um Bewährtes auszutauschen, Synergien zu nutzen und sich gegenseitig bei der Einsamkeitsbekämpfung zu unterstützen, ist es hilfreich, dass sich verschiedene kirchliche sowie weltliche Akteure vernetzen und zusammenarbeiten. Bei der Vernetzung und Organisation von Aktionen gegen Einsamkeit kann eine Koordinationsstelle auf kommunaler Ebene unterstützen.

Einsamkeit lässt sich am besten durch Gemeinschaft bekämpfen. In Pandemiezeiten ist die Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten zwar besonders herausfordernd, kann jedoch durch Kreativität, Einfallsreichtum und das Engagement Ehrenamtlicher gelingen.

Titelbild: Romolo Tavani/Adobe stock


Verfasst von:

Natalie Klauser

Konrad-Adenauer-Stiftung