Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Mai-Juni 2022

Schwerpunkt

Ergebnisse und Analysen

Spurensuche und Ursachenforschung nach den Pfarrgemeinderatswahlen im März – in keiner der sieben bayerischen Diözesen konnte die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2018 gesteigert werden. Missbrauch? Finanzskandale? Die Corona-Pandemie? Diese Antworten greifen zu kurz. Die Gründe für den Rückgang sind vielschichtig und regional unterschiedlich. Die gute Nachricht aber: gut 25.000 Männer und Frauen haben sich wieder für das Ehrenamt zur Verfügung gestellt.

Bei den Pfarrgemeinderatswahlen am 20. März 2022 haben bei einem Auszählungsstand von 92 Prozent bayernweit 596.502 Gläubige in den bayerischen Pfarrgemeinden von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Das entspricht einer Wahlbeteiligung bayernweit von 12,75 Prozent. Es bedeutet zugleich einen Rückgang von 4,78 Prozentpunkten auf bayerischer Ebene gegenüber 2018.

Die Spitzenreiterrolle bei der Wahlbeteiligung in Bayern hat erneut die Diözese Würzburg mit 19,47 Prozent übernommen – noch vor den Diözesen Eichstätt mit 17,33 Prozent, Regensburg mit 13,40 Prozent sowie München und Freising mit 12,33 Prozent. Die durch die Corona-Pandemie in den vergangenen beiden Jahren deutlich eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Kirche insgesamt und der Ehrenamtlichen im Besonderen sind eine Ursache für den Rückgang, aber sicherlich nicht die einzige, findet beispielsweise der Vorsitzende des Diözesanrats Eichstätt, Christian Gärtner.

Angesichts des Rückgangs der bayernweiten Wahlbeteiligung von vormals 17,53 Prozent auf nunmehr 12,75 Prozent ist die Tatsache aufschlussreich, dass das Verhältnis der Wählenden gegenüber der Zahl der Teilnehmenden an den Gottesdiensten trotzdem gesteigert werden konnte. Bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2018 betrug der prozentuale Anteil der Wählenden gegenüber sonntäglichen Messbesuchern etwa 136 Prozent; dieser Anteil stieg nun auf 161 Prozent. Vielleicht liegt hier noch ein Potential, das sich auch zwischen den Pfarrgemeinderatswahlen noch besser nutzen lässt.

Wenn die Zahl der Wählenden trotz sinkender Wahlbeteiligung gegenüber dem Anteil der regelmäßig an den Gottesdiensten Teilnehmenden angestiegen ist, kann dies nur teilweise beruhigen. Vielmehr ist sie ein alarmierendes Zeichen für die weiter nachlassende Bindungskraft der Kirche durch die klassischen Verkündigungswege und die Liturgie. Einen Funken Hoffnung kann die relativ gestiegene Wahlbeteiligung insofern verbreiten, als die Pfarrgemeinden im einzelnen und die Kirche insgesamt in Zukunft noch mehr auf Begegnungs- und Kontaktmöglichkeiten mit Gläubigen und Interessierten setzen sollten, die abseits der klassischen Wege liegen.

Online-Wahlen gut angenommen

In den Diözesen Passau, Eichstätt und München und Freising konnte man erstmals seine Stimme online abgeben. In Passau in einigen ausgewählten Pfarrverbänden, in den beiden anderen Diözesen flächendeckend. Der Rückgang der Wahlbeteiligung war angesichts der schwierigen Lage der katholischen Kirche auch mit diesem Mittel nicht zu vermeiden. Jedoch zeigt sich hier deutlich: die Online-Wahl wurde sehr gut angenommen. In vielen Gemeinden machte sie zwei Drittel der abgegebenen Stimmen – in Einzelfällen auch mehr – aus. In der Erzdiözese München und Freising bestand das Angebot in 622 Pfarrgemeinden und wurde von fast 100.000 Personen genutzt. Damit haben dort knapp zwei Drittel aller Wählenden von der Online-Wahl Gebrauch gemacht.

Im Bistum Augsburg gab es zwar die Möglichkeit zur Online-Wahl nicht, hier hat sich aber deutlich gezeigt, dass in Pfarrgemeinden, die ihren Wahlberechtigten im Vorfeld der Wahlen Briefwahlunterlagen zugestellt und somit eine allgemeine Briefwahl durchgeführt haben, die Wahlbeteiligung klar über dem Durchschnitt lag.

Positives Resümee

Die Verantwortlichen in den Diözesanräten ziehen trotz des allgemeinen Rückgangs eine weitgehend positive Bilanz. Der Eichstätter Diözesanratsvorsitzende Christian Gärtner spricht von einer „sehr guten“ Wahlbeteiligung angesichts der schwierigen Situation der Kirche. Im Bistum Passau habe man gar mit einem noch stärkeren Rückgang gerechnet. Die Wahlbeteiligung lag hier bei knapp über elf Prozent und damit nur gute vier Prozentpunkte niedriger als vor vier Jahren. Der Diözesanratsvorsitzende Markus Biber macht deutlich, dass nur dort, wo viele Gläubige bereit zum Engagement seien, die Gemeinden bestehen bleiben würden.

Hier deutet sich der Grund an, weswegen pauschale Aussagen so schwierig sind: die Pfarrgemeinden in Bayern sind zu unterschiedlich, in ihrer Struktur, ihrer Ausprägung und vor allem in der jeweiligen Situation vor Ort. Schon im Vorfeld der Wahlen hat sich gezeigt: dort, wo auch während der Pandemie Gemeindeleben stattgefunden hat, wo das Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen funktioniert, wo es Wertschätzung und Anerkennung für die Arbeit der Ehrenamtlichen gibt und wo Gemeinden lebendig und aktiv sind, da war es vielfach überhaupt kein Problem, die Listen mit Kandidatinnen und Kandidaten zu füllen. Trotz Corona-Pandemie. Trotz Missbrauchsskandal. Oder gerade deswegen. In der momentanen Situation der Kirche wollen viele Engagierte sich erst recht einbringen, wollen Veränderung einfordern und ihren Beitrag dafür leisten, dass diese auch geschieht. In vielen dieser Pfarrgemeinden konnten nun auch die Gemeindemitglieder zur Teilnahme an der PGR-Wahl motiviert werden. Wo das gemeindliche Leben vorher schon geschwächelt hat, da waren auch die Wahlbeteiligungen niedrig.

Pastorale Prozesse

Ein weiterer Faktor sind die Umstrukturierungsmaßnahmen, die in allen bayerischen Diözesen in unterschiedlichem Ausmaß im Gang sind oder waren. Sie können die Motivation von Ehrenamtlichen beeinträchtigen, wenn sie nicht genügend an diesen Prozessen beteiligt werden. In der Folge sind nicht selten Brüche zu beobachten, die sich sowohl bei der Kandidatensuche als auch beim Versuch bemerkbar machen, Gläubige zur Wahl zu animieren. Vor allem in der Diözese Würzburg hat man die Pfarrgemeinderatswahlen dieses Mal mit Spannung erwartet. Denn hier wurden erstmals nach der neuen Wahlordnung die Gemeinsamen Pfarrgemeinderäte beziehungsweise Gemeindeteams gewählt. „Die Wahl der Pfarrgemeinderäte nach der neuen Satzung ist ein weiterer Meilenstein in der Errichtung unserer 43 Pastoralen Räume im Bistum Würzburg“, sagt Generalvikar Jürgen Vorndran. Er sei „unendlich dankbar“ für das Engagement so vieler ehrenamtlich tätiger Frauen und Männer in den Gemeindeteams vor Ort, im Pfarrgemeinderat der Pfarreiengemeinschaft und im neuen Rat im Pastoralen Raum. Und auch Diözesanratsvorsitzender Michael Wolf zieht ein positives Resümee der Wahl: „Das ist der erste Schritt, die neue Struktur der Diözese mit Leben zu füllen. Ich erhoffe mir die tatkräftige Mitarbeit der neu gewählten Räte, um die Zukunft der Kirche in unserem Bistum abzusichern und die Mitbestimmung in pastoralen Fragen mit der notwendigen lokalen Sicht effektiv wahrzunehmen.“ Er freut sich „über dieses Stück gelungener Demokratie in unserer Kirche“.

Und noch eines ist gleich geblieben: Das Stadt-/Land-Gefälle, das sich bei den vergangenen Wahlen ebenfalls gezeigt hat, fällt wieder auf: generell ist die Wahlbeteiligung in ländlichen Gemeinden höher als in städtischen Gebieten, die auf intensivere Verbindungen der Gläubigen untereinander sowie mit den ehren- und hauptamtlich Engagierten in einer kleineren Gemeinde zurückzuführen ist.

Frauenanteil steigt weiter

Insgesamt wurden 24.411 Mitglieder in die neuen Pfarrgemeinderäte gewählt, davon 16.452 Frauen und 7.959 Männer. Positiv zu werten ist grundsätzlich der erneut gestiegene Anteil an gewählten Frauen von bisher 62 Prozent auf nunmehr 67 Prozent. Womit die Frauen nunmehr in den knapp 4.000 Pfarrgemeinderäten bayernweit die klare Mehrheit haben. Gleichzeitig stellt sich jedoch auch die Frage, warum sich offensichtlich immer weniger Männer eine Mitarbeit im Pfarrgemeinderat vorstellen können. In den vergangenen Wochen wurden im Zug der Konstituierungen weitere gut 12.000 Personen hinzuberufen, die eine noch breitere Themenpalette und einen weiteren Adressatenkreis im Pfarrgemeinderat vertreten sollen. Bei der Auswahl der Personen wurden die Interessen von Jugendlichen, Senioren, jungen Familien oder Neuhinzugezogenen berücksichtigt, aber auch die Liturgie und Bildungsfragen. Die Wertschätzung des Ehrenamtes hat in der katholischen Kirche zwar grundsätzlich Tradition, ist aber in Zukunft von noch größerer Bedeutung, wenn die Botschaft Jesu zum Sauerteig einer Gesellschaft werden soll, die sich nach Mut und Zuversicht schenkenden Worten und Gesten in und nach der langen Zeit der Corona-Pandemie sehnt.

Die Pfarrgemeinderäte werden in den kommenden vier Jahren das kirchliche Leben in den Gemeinden mit Ideen und Initiativen bereichern, sie werden gesellschaftlich und innerkirchlich Verantwortung übernehmen und das Zusammenleben vor Ort aktiv mitgestalten. Allen, die sich zur Wahl gestellt und allen, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, sagen die Organisatoren der PGR-Wahlen ein herzliches „Vergelt’s Gott!“.

Alle bayernweiten Ergebnisse im Überblick auch unter www.pfarrgemeinderatswahl-bayern.de und www.landeskomitee.de.  


Verfasst von:

Gemeinde Creativ

Das Redaktionsteam