Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: Juli-August 2022

Schwerpunkt

Präsent, hybrid, rein digital

Grau ist nur eine von zig Millionen Farben, sagt Johannes Simon, Erfinder der „Sinnzeit“, der für mehr Buntheit in der Kirche plädiert.

Selbst ein so persönliches Format wie der Gottesdienst „Sinnzeit“ funktioniert im Netz

Es gibt nicht nur Rot und Blau und Grün. Es gibt auch Rosa. Und Lila. Himmelblau. Und Quietschgrün. Zig Millionen Farben existieren. „Und zig Millionen Farben hat das Leben“, sagt Johannes Simon, Pastoralreferent aus dem unterfränkischen Knetzgau. Unter eben dieser Überschrift stand der Jubiläumsgottesdienst zum 20-jährigen Bestehen des Gottesdienstformats „Sinnzeit“ im Juni.

Eigentlich hätte Johannes Simon allen Grund zum Feiern. Als er 2002 begann, etwas „andere“ Gottesdienste zu gestalten, Gottesdienste, die persönlicher sind, die direkter sind, kritischer auch, betrat er Neuland. Zwei oder drei Jahre, hatte er sich damals vorgenommen, wollte er einmal im Monat eine „Sinnzeit“ gestalten. Nun sind 20 Jahre ins Land gegangen. Das Format hat Nachahmer gefunden. Und es gelang, was sich Johannes Simon 2020 zunächst gar nicht vorstellen konnte, die „Sinnzeit“ zusätzlich zum Live-Gottesdienst digital anzubieten. Und doch ist dem Theologen nicht aus vollstem Herzen zum Feiern zumute.

Zum einen kann die „Sinnzeit“ noch immer nicht voll und ganz so gestaltet werden, wie sie ursprünglich gedacht war. Das Format ist sehr persönlich angelegt. So wurden bisher alle Gottesdienstbesucher am Eingang persönlich begrüßt. „Dies geschieht nun auf Abstand und mit Maske“, schildert der Pastoralreferent. Diese Distanz, so notwendig sie auch sein mag, konterkariert in gewisser Weise das Konzept, das zum einen Sinnfragen thematisiert und zum anderen mit allen Sinnen erlebbar sein soll. Hinzu gesellt sich die bedrückende Kriegssituation. Aber auch die Kirchenkrise überschattet das Jubiläum.

Die Arbeit wurde in den vergangenen 20 Jahren immer diffiziler. Auch sank aufgrund der Kirchenkrise das Interesse. An der bislang bestbesuchten „Sinnzeit“ nahmen 500 Menschen teil. Heute freut sich der Theologe über 60 Besucherinnen und Besucher. Wobei zu diesen 60 Präsenzbesuchern oft noch bis zu 60 Nutzerinner und Nutzer des Streaming-Angebots hinzukommen. Weitere bis zu 150 Menschen schauen sich die „Sinnzeit“ im Nachgang digital an. Das seelsorgerische Projekt ist also vielfältiger und „bunter“ geworden. Genau diese Buntheit hat die Kirche dringend nötig, meint Simon mit Blick auf den Titel des Jubiläumsgottesdienstes. Derzeit sei zu viel Schwarz-Weiß. Oder Grau.

Digitale Gottesdienste kamen an

Digitale Seelsorge- und Gottesdienstangebote bieten die Chance, Menschen zu erreichen, die sich der Kirche entfremdet fühlen, sagt Bernhard Schweßinger, der das Medienhaus der Diözese Würzburg leitet. Daneben profitierten Kranke und Ältere. Das sieht man im Würzburger Bistum zum Beispiel daran, wie gut die Gottesdienstübertragungen im Fernsehen gerade von dieser Personengruppe angenommen werden. Der YouTube-Kanal des Bistums wird während eines Sonntagsgottesdienstes Schweßinger zufolge durchschnittlich von 300 bis 350 Live-Zuschauern verfolgt. Bei Hochfesten seien es bis zu 700.

„In den Pfarreien des Bistums ist die Zahl von Streams und digitalen Impulsen kaum überschaubar“, so der Pressesprecher. Inzwischen allerdings gebe es etwas weniger Livestreams von Gottesdiensten in den Gemeinden: „Mehrfach war zu hören, dass man sich auf die Übertragung besonderer Gottesdienste konzentriert.“ Das Bistum selbst streamt weiterhin an Sonn- und Feiertagen den Gottesdienst aus dem Würzburger Kiliansdom: „Und zwar auf unserem Youtube-Kanal und dem Streaming-Kanal von BibelTV.“ Live ausgestrahlt werden die Gottesdienste im Kabelkanal von TV Mainfranken.

Foto: Pat Christ


Verfasst von:

Pat Christ

Freie Autorin