Das Magazin für engagierte Katholiken

Ausgabe: September-Oktober 2022

Meditation

»Der Watzmann ruft«

Foto: Frank / Adobe stock

Selbst für einen »Flachland-Tiroler« wie den Autor dieser Zeilen ist er ein Begriff: der Watzmann. Für die einen ist er der schönste Berg der Welt, andere bezeichnen ihn als Schicksalsberg und Wolfgang Ambros hat ihm schließlich ein musikalisches Denkmal gesetzt mit seinem 1974 veröffentlichten und später zum »Rustical« umgearbeiteten Album »Der Watzmann ruft. Der Berg und der Mensch – ein ewiger Kampf«. »Er ruaft mi, der Watzmann. I muaß auffi! Auffi aufn Berg! Muaß eam unterkriagn!« So lockt im »Rustical« der Berg den »Bua«, der sich ihm schließlich hingibt. Wie der Watzmann, so üben Berge eine Faszination aus, die Menschen anzieht und hinauftreibt, leider bisweilen auch ein Schicksal besiegelt.

Eine andere Art der Anziehung üben die Berge aus, denen wir in der Bibel begegnen: So steigt Abraham auf einen nicht namentlich genannten Berg im Land Morija, um seinen Sohn Isaak zu binden – vielen Menschen ein schwer verständlicher Text (Gen 22, 1–19). Leichter und so viel geheimnisvoller ist die Begegnung, die Elija am Berg Horeb macht, als er GOTT erfährt als »eine Stimme verschwebenden Schweigens« (1 Könige 19,12 in der Verdeutschung von Martin Buber und Franz Rosenzweig). Eine licht-durchtränkte Bergwanderung begegnet uns schließlich im Neuen Testament, die mit dem Berg Tabor in Verbindung gebracht wird. Wir kennen sie als »Verklärung des Herrn« (Mt 17, 1–9; Mk 9, 2–8; Lk 9, 18–36). Vier Männer machen sich auf den Weg. Über was mögen sie sich unterhalten haben?

Es wird ihnen wohl so ergangen sein wie Bergsteigerinnen oder Wanderern heute: Man spricht zunächst vor Kraft strotzend »über Gott und die Welt«. Nach und nach nehmen die Gespräche ab, jede und jeder konzentriert sich auf sich selbst, setzt einen Fuß vor den anderen: »Auffi muaß i, i muaß!« Manche sind dabei schneller als andere. Wartet man zwischendurch aufeinander, orientiert man sich am Langsamsten oder geht jede und jeder für sich allein das eigene Tempo? Irgendwann stellt sich diese Frage bei einer Wanderung in einer Gruppe. Doch gilt es, weiterzukommen, hinaufzukommen, das Ziel zu erreichen, den Gipfel, von dem aus man die Welt anders sieht.

Was die Weg-Geschichte vom Tabor ausmacht – neben der lichtvollen Verklärung des Herrn und der damit verbundenen Gottes-Gegenwart – sind mehrere Details:

Nicht aus eigenem Antrieb machen sich die Jünger auf den Weg. Es ist Jesus, der eine Auswahl trifft, Petrus, Jakobus und Johannes »beiseite« nimmt – »nur sie allein«, wie es bei Markus heißt – und mit ihnen »auf einen hohen Berg« steigt, »um zu beten«, wie Lukas schreibt. Auf dem Tabor angekommen geschieht Verwandlung – es »veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes und sein Gewand wurde leuchtend weiß« – und Begegnung: »… es erschienen ihnen Mose und Elija und redeten mit Jesus«. Beides wollen die Jünger nur zu gern festhalten: »Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija«. Der Furcht, die die Jünger schließlich packt angesichts des Gotteswortes aus der Wolke, das in den Aufruf mündet »…auf ihn sollt ihr hören«, begegnet Jesus damit, dass er die Drei anfasst, sie zum Aufstehen bewegt und zu ihnen sagt: »Fürchtet euch nicht!« Schweigen schließlich ist das Kernwort für den Abstieg. Bei Markus und Matthäus als Gebot Jesu, niemandem von dem zu erzählen, was sie erlebt haben »bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei«, bei Lukas sind es die Jünger, die von sich aus schweigen.

Es bedarf des genauen Hin-Hörens und mancher Hin-Blicke auf die Texte von der »Verklärung Jesu«. Dann sind sie ein »Lehrstück wirklicher Synodalität« – »eine Einladung zu einer lichtvollen Weg-Gemeinschaft (syn-odos), die weder in einer Erschöpfung noch in einer weltfremden Traumwelt endet.« (Bischof Hermann Glettler, Innsbruck) 

 


Verfasst von:

Hagen Horoba

Leiter des Informations- und Besucherzentrums DOMPLATZ 5 in Regenburg