Ausgabe: November-Dezember 2022
SchwerpunktZwischen Wunsch und Wirklichkeit
Nach der Veröffentlichung der MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ wurde der Synodale Weg als Weg der Umkehr und Erneuerung ins Leben gerufen. Nach drei Jahren stellt sich die Frage, ob er Wunsch und Wirklichkeit in Bezug auf die Gestaltung der Kirche verbinden kann. Vier Personen ziehen ein bisheriges Resümee.
Für Edgar Büttner ist die Sache klar: „Der Synodale Weg ist die derzeit wichtigste und auch einzige Möglichkeit für die katholische Kirche in Deutschland, Vertrauen zurückzugewinnen und die Basis zu stärken.“ Er ist Mitglied im Forum „Priesterliche Existenz heute“ und mittlerweile als Trainer und Coach selbstständig, nachdem er 1983 wegen der Beziehung zu seiner heutigen Frau vom Priesteramt suspendiert wurde. Als Berater des Forums sieht er sich als Sprachrohr für etwa 2.000 verheiratete Priester im deutschsprachigen Raum und bringt ihre Forderungen in der Synodalversammlung ein.
Im Vordergrund steht die Forderung nach der Abschaffung des Pflichtzölibats. Flankierend dazu halten die Mitglieder des Forums zwei Maßnahmen für notwendig: Es müsse eine finanzielle Unterstützung derer geben, die auf Grund ihrer Beziehung ihren Beruf aufgeben mussten, und gleichzeitig für alle, die das möchten, die Möglichkeit, wieder in den pastoralen Dienst zurückzukehren. Eine realistische Möglichkeit für erste Schritte in diese Richtung sieht Büttner in regionalen Regelungen. Damit könnte Deutschland ein starkes Zeichen setzen. „Wir haben bis heute von Seiten der deutschen Bischöfe kein einziges klares Signal nach Rom gesandt, dass wir verheiratete Priester wollen,“ betont er, aber gleiche Forderungen kämen jetzt aus immer mehr Ländern, wie zum Beispiel aus Irland.
Problematisch für die Umsetzung sieht er die mangelnde Courage einer Minderheit der Bischöfe, die bei heiklen Fragen im Vorfeld schweigen, aber bei der Abstimmung schließlich dagegen sind. Dabei gebe es aus Edgar Büttners Perspektive viele Dinge, die die Bischöfe machen könnten, ohne warten zu müssen, dass der Papst grünes Licht dafür gibt. Die Leute würden schon lange auf Reformen warten, die Kirche stehe unter Druck: „Besonders Frauen, junge Leute und Ordensleute erzeugen von innen heraus starken argumentativen Druck. Und von außen kommt der Druck durch die Kirchenaustritte, den sexuellen Missbrauch und die Medien, so dass Bischöfe eigentlich nicht mehr anders können als endlich zu handeln.“
Claudia Pfrang gibt als Direktorin der Domberg-Akademie dem Synodalen Weg Öffentlichkeit. Die Akademie berichtet im gleichnamigen Format live aus der Synodalversammlung und möchte mit vielfältigen Veranstaltungen die essenziellen Diskurse sichtbar machen. Als Beobachterin sieht sie die großen Brennpunkte vor allem in der Frage nach der Stellung der Frau und der Sexualmoral: „Wenn sich in der Frauenfrage nichts bewegt, dann weiß ich nicht, in welche Zukunft diese Kirche gehen wird. Es ist einfach nicht mehr nachvollziehbar, wieso Frauen in der Kirche nicht die gleichen Rechte haben. Das ist aus heutiger Sicht nicht mehr zu verargumentieren und auch theologisch nicht zu halten.“
Denn das dürfe man nicht aus den Augen verlieren: dass es im Synodalen Weg darum gehe, den eigentlichen Kern der christlichen Botschaft, der sich im Lauf der Zeit verdunkelt hat, wieder für die heutige Zeit zu erschließen. Die Redebeiträge in den Synodalversammlungen hält sie für gut und wichtig. Sie bringen die Diskussion weiter: „Es beeindruckt mich immer wieder, dass da Menschen aufstehen und Klartext sprechen. Biblisch nennt man das die Parrhesia, die freie Rede, die auch etwas riskiert. Die sagt, so geht es nicht weiter, so mag ich das nicht – auch mit dem Risiko, dass etwas scheitert. Hinter diese freie Rede kann man nicht mehr zurück und das lässt mich wirklich hoffen.“
„Die ersten drei Synodalversammlungen selbst haben mir immer ein sehr gutes Gefühl gegeben“, sagt Viola Kohlberger. Die geistliche Leitung der DPSG Augsburg ist als junge Synodale in den Synodalversammlungen aktiv und begleitet sie auch auf Social Media. „Die Stimmung dort war meist reformfreudig und aufbruchsmäßig. Aber zwischen den Versammlungen ist das immer wieder abgeebbt, auch weil von bayerischen Bischöfen viele Dinge, die beschlossen wurden, nicht angegangen wurden. Das war für mich ernüchternd.“
Ein großes Problem sieht sie darin, dass die Entscheidungen der Synodalversammlung nicht rechtlich bindend sind und neben den Bischöfen, die im momentanen System die Entscheidungen treffen, auch einige Laien daran arbeiten würden, dass sich nichts verändert. Ihr Vertrauen in den Geist Gottes und die Mitglieder der Synodalversammlung ist in Kohlbergers Augen nicht groß genug. „Es ist nicht das Ziel der Synodalversammlung, die Kirche zu zerstören, sondern die Menschen in der Kirche wieder zum Mittelpunkt zu machen. Wenn die Bischöfe darauf Vertrauen würden, könnten sie auch eine Selbstverpflichtung eingehen, sich an die Beschlüsse zu halten. Das passiert leider nicht, wäre aber eine Möglichkeit, dieses rein beratende Gremium aufzuwerten.“
Neben mangelnder Teilhabe und Geschlechtergerechtigkeit im aktuellen System kritisiert sie vor allem, dass den Missbrauchsopfern nicht genügend Gehör geschenkt wird. „Ich habe das Gefühl, dass immer noch nicht angekommen ist, dass wir die Strukturen reformieren müssen, um Missbrauch, Gewalt und Vertuschung aus dem System zu kriegen, sondern im Gegenteil: dass manche Leute glauben, dass wir jetzt eine demokratische Kirche brauchen, einzig weil wir da halt Bock drauf haben.“ Sie fordert, dass sich alle Beschlüsse an den in der MHG-Studie dargelegten Risikofaktoren messen lassen müssen. Die gilt es zu minimieren, um von Erfolg für den Synodalen Weg sprechen zu können.
Für Dorothea Sattler, Professorin für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der Universität Münster, kann der Synodale Weg nicht mehr scheitern. Die Vorsitzende des Forums „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ sieht einen großen Erfolg bereits darin, dass gemeinsam und ergebnisoffen über theologische Argumentationen diskutiert wird, und dieser Prozess sicher auch nach dem offiziellen Ende des Synodalen Wegs nicht aufhören wird, sondern in der Weltkirche Kreise zieht. Sie sieht im Moment nicht die Zeit gekommen, konkrete Forderungen für eine Weihe von Frauen zu stellen. Ohne die Bereitschaft der Bischöfe, die Anliegen in die vorgesehenen Strukturen einzubringen, wird sich im bisherigen römisch-katholischen Gefüge nichts ändern. Im System können Frauen sich selbst nicht befreien aus den Begrenzungen, die sie im Moment in Bezug auf Teilhabe an kirchlichen Ämtern haben.
Deshalb möchte das Forum, das sie zusammen mit dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode leitet, dass eine ständige Kommission eingerichtet wird, die sich mit der Thematik in Deutschland befasst und das Thema auf theologisch hohem Niveau international einbringt. Sie weiß, dass sich viele Frauen bei dem Thema Veränderungen in der eigenen Lebenszeit wünschen und viele nicht warten wollen, bis die Beratungen der Bischöfe diese Veränderungen bringen. Daher wählen sie häufig Alternativen wie den Austritt, die Gründung einer neuen Gemeinschaft, den stillen Rückzug oder die Konversion. Diejenigen, die die römisch-katholische Kirche von innen reformieren möchten, wünschen sich eine bischöfliche Ordnung, sagt Sattler: „Im Grunde ist die Idee leitend, dass es bei der bischöflichen Ordnung bleibt. Nur die Zulassungsbedingungen müssen andere werden, dann können auch Frauen Bischöfinnen werden.“